Gibt es eigentlich bereits Untersuchungen und Zahlen, wie sich in Zeiten einer sich digitalisierenden Wissenschaft die Besucherzahlen der (Universitäts-)Bibliotheken verändern? Schließlich ist es – wenn man die meisten Zeitschriftenartikel bequem per PDF erhält – viel seltener notwendig, den Weg in die Bibliothek anzutreten, um Bücher oder Zeitschriften auszuleihen.
In Bibliotheken wird sicht- und spürbar, welche Verehrung dem Wissen entgegengebracht wurde. Wo wird diese Wertschätzung heute noch erlebbar?
Daß Bibliotheken mehr sind als ein Dokumentenarchiv, daß sie Orte des Wissens sind, an denen v.a. in früheren Zeiten spürbar wurde, welche Verehrung dem Wissen entgegengebracht wurde, wird wohl immer mehr in Vergessenheit geraten.
Umso eindringlicher sind die Aufnahmen der Bibliothekssäle traditionsreicher Bibliotheken. Ich bin bei Ali Arbia auf diesen Blogpost aufmerksam geworden – einige dieser „Kathedralen des Wissens“ seien hier als visuelle Appetithäppchen eingestellt.1
Das Benediktinerstift Admont2 in der Steiermark in Österreich beherbergt eine wunderbare Bibliothek. 1776 wurde die Stiftsbibliothek eingeweiht – sie wurde von manchen Zeitgenossen als „Achtes Weltwunder“ bezeichnet und ist weltweit der größte Büchersaal innerhalb von Klostermauern.
Kaum weniger prächtig ist die Bibliothek des Klosters Strahov in Prag. Sie wurde von 1671-1679 erbaut und rund hundert Jahre später kamen noch beeindruckende Deckenfresken hinzu.
Von Prag zurück nach Österreich: Im 18. Jahrhundert wurde der barocke Neubau des traditionsreichen Benediktinerklosters Stift Melk errichtet. Und ja, genau dieses Kloster ist uns heute auch durch Umberto Ecos „Der Name der Rose“ ein Begriff. Denn der Ich-Erzähler ist der junge Benediktinermönch Adson von Melk.
Aber auch unabhängig von dieser späten literarischen Popularität, ist das niederösterreichische Kloster (das nicht umsonst zur Reihe des UNESCO-Weltkulturerbes zählt) bemerkenswert. Und die Bibliothek ist beeindruckend:
Vollkommen anders, aber ebenso wirkungsvoll ist die Bibliothek, die sog. „Handelingenkamer“, im Parlamentsgebäude in Den Haag. Bei ihr handelt es sich um die alte Bibliothek des ehemaligen Justizministeriums.
Erbaut wurde das Gebäude Ende des 19. Jahrhunderts von „Rijksbouwmeester“ Cornelis Hendrik Petersim – die Besonderheit: elektrisches Licht war damals nicht vorgesehen, auf Kerzen und Gaslampen wollte man verzichten. Durch die besondere Konstruktion der lichten Glaskuppel fällt ausreichend Helligkeit auch für die unteren Bücherregale. Der Raum ist 13,5 m lang und nur 6 m breit. Die roten Geländer und die sich leicht emporschwingende Treppe sind im übrigen durch chinesische Verzierungen (Drachenköpfe, Pranken etc.) geprägt.
Wenn man solche Wissensspeicher in ihrer ganzen Pracht sieht, so möchte man fast bedauern, daß wir solche Räume zukünftig wohl kaum mehr wirklich „nutzen“, sondern höchstens aus musealer Neugier besuchen. Sollten wir unsere PDFs nicht doch wieder alle ausdrucken und in Regale stellen?
Literaturempfehlungen:
- Höfer, Candida (2007): Bibliotheken. Mit einem Essay von Umberto Eco. Schirmer/Mosel.
- de Laubier, Guillaume und Bosser, Jacques (2003): Die schönsten Bibliotheken der Welt. Knesebeck.
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- In der Eile habe ich zunächst nicht daran gedacht, die Quellen der Photos zu bezeichnen. Florian erinnert in den Kommentaren daran. Die Photos habe ich alle bei Wikipedia/Wikimedia Commons gefunden, dort ist eine freie Nutzung und Bearbeitung gestattet. Einige der Aufnahmen entstammen aber wohl dem Bildband von Candida Höfer (s. Literaturhinweis). Eine Klärung des Sachverhalts ist mir gerade aber nicht möglich. [↩]
- Das Stift wurde schon 1074 gegründet. [↩]
13 Gedanken zu „Kathedralen des Wissens » Die schönsten Bibliotheken der Welt | Werkstattnotiz LXXVII“
Ich persönlich finde das Hauptgebäude der Universitätsbibliothek in Halle auch sehr beeindruckend. Ein Bild findet man hier:
http://www.halle-ist-schoen.de/index_52_de.html
Ich habe leider kein Bild vom Innenraum. Die Bibliothek ist mitten in der Stadt gelegen, gleich neben der Dt. Akademie der Naturforscher Leopoldina (http://www.leopoldina-halle.de/).
Ein weiteres sehr interessantes Gebäude ist die neu gebaute sächsische Landesbibliothek in Dresden. Bilder findet man hier:
http://flickr.com/search/?q=slub+dresden
@Sebastian:
Ja, das Gebäude der Uni-Bibliothek in Halle hat auch den gewissen Charme. Und von der neuen Landesbibliothek in Dresden hatte ich erst vergangenen Herbst gelesen.
Wenn weitere Leser ihre Favoriten (vielleicht samt Link und/oder Photo?) in den Kommentaren posten, dann mache ich gerne demnächst einen zweiten Teil mit weiteren sehenswerten Bibliotheksgebäuden bzw. Lesesälen. Vielleicht ja dann mit dem Schwerpunkt auf modernen Bibliotheken? Es muß ja nicht immer die barocke Variante sein. ;-)
Hallo Marc,
zu erwähnen ist auch noch, dass die hier verwendeten Fotos alle aus dem Bildband von Candida Höfer stammen (was auch im Kontext von Urheberrecht interessant ist).
Neben den wunderschönen Bildern ist der Bildband übrigens auch noch mit einem lesenswerten Begleitwort von Umberto Eco geschmückt.
Viele Grüße,
Florian
@Florian:
Ertappt?! ;-)
Nein, ich stimme Dir vollkommen zu. Ich habe den Artikel schon vor rund 10 Tagen geschrieben – und damals in allen möglichen Quellen gestöbert. Die oben eingestellten Photos sind aber alle bei Wikimedia-Commons eingestellt. Ich habe tatsächlich verpennt, diesen Hinweis noch einzufügen.
Allerdings kann ich mir kaum vorstellen, daß Candida Höfer dazu (also der Verwendung bei der Wikipedia, z.B. hier ) die Einverständnis gegeben hatte?
Werde mich mal darum kümmern. Danke für die Erinnerung.
Hallo,
wenn ich so etwas sehe wünsche ich mir immer es gäbe die von Terry Pratchett beschriebenen L-Raumkrümmungen, in denen die reale Zeit still steht und man selbst nicht altert…
Einfach nur herrlich :-)
Gruß
Ich finde die Uni-Bibliothek in Helsinki beindruckend, weil man sie auch heute noch ganz normal benutzen darf. Und man hat ein sehr angenehmes Gefühl, dass schon viele und auch berühmte Leute in diesem Raum gearbeitet haben.
Danke für die Erinnerung!