Querverweise » Fundstücke, Lesenswertes & Links – 02

Fundstuecke_01c.jpgDer Stauraum in der Werkstattecke wird schon wieder knapp. Kein Wunder, wenn man bei all den Turbulenzen um G-8-Gipfel und die sie umrahmenden Proteste und die Dopingbeichten der Radprofis kaum mehr Zeit hat, konzentriert und in Ruhe in der Werkstatt zu arbeiten.

Und wenn man sich dann noch unversehens mit einer Abmahnung konfrontiert sieht, dann ist die entspannte Blogroutine ohnehin erstmal dahin. Ich hätte vor wenigen Tagen auch nicht gedacht, daß ich mich so schnell mit den juristischen Vokabeln von Abmahnungen, Unterlassungsverpflichtungserklärungen oder sog. Schutzschriften auseinandersetzen muß. 

Unterdessen hat sich im Fundstücke-Fundus allerdings wieder etwas angesammelt:

 


»1. Einer der produktivsten und faszinierendsten Denker des 20. Jahrhunderts ist der Soziologe Niklas Luhmann. Der gelernte Jurist und Verwaltungsexperte entwickelte ab Ende der 60er Jahre eine soziologische Systemtheorie, die in origineller Weise an philosophische, literarische oder biologische Konzepte anknüpft und selbst vielfältiges Anregungspotential für weitere (Gedanken-)Gänge liefert.

In fast allen Texten des umfänglichen Werks Luhmanns, der 1998 verstarb, kann der aufmerksame Leser die Spur jenes Hilfsmittels nachverfolgen, das den Entstehungs- und Schreibprozeß Luhmanns begleitet und geprägt hat: die Spur des Zettelkastens.

Seine Lektüreerkenntnisse, Gedanken, Verweise, alles, was Luhmann in den Sinn kam, verzeichnete und verschlagwortete er auf Zetteln, die er nach einem strikten System, das Querverweise berücksichtigte, in einen Zettelkasten einordnete. Jeder Essay Luhmanns, jedes Kapitel eines Buchs ist dann jeweils ein Beutezug, den Luhmann selbst in seinem Zettelkasten unternimmt. Die Architektur seines Denkens hat Luhmann in seinem Zettelkasten konserviert; die Architektur des Zettelkastens (dessen interne Komplexität und Anregungspotential) prägte dann im Schreibprozeß das Denken Luhmanns.

Steffen Büffel hat einen kurzen Mitschnitt eines Luhmann-Porträts aus den 70ern aufgestöbert (ursprünglich aus der Doku "Beobachter im Krähennest"), wo der Meister selbst seinen Zettelkasten vorführt:

Inzwischen hat Alexander Filipovic unter "geloggd", die Sammlung mit Luhmann-Nostalgie-Videos komplettiert.

 


»2. Während mir ein Abmahnschreiben frech und zähnefletschend aus meinem Mailpostfach entgegen lächelt, widmen sich an anderer Stelle bloggende Kollegen genau dieser unerfreulichen Begleiterscheinung der Blogrealität. Abmahnungen sind Gegenstand der ersten Ausgabe des "Upload-Magazins", das sich der Thematik aus unterschiedlichen und sehr spannenden Blickwinkeln nähert.

Einerseits wird einem das kleine Einmaleins des Abmahnwesens kurz und prägnant vermittelt (z.B. im Beitrag "Die 6 W des Abmahnens"), andererseits gibt es auch Erfahrungsberichte von Betroffenen (Kirstin Walther vom "Saftblog") und Interviews mit Abmahnern (u.a. mit Folkert Knieper von "Marions Kochbuch") zu lesen. Die Zusammenstellung ist spannend, informativ und kontrovers. Abgerundet wird das Ganze durch einige Überlegungen von Raphael Raue vom Onezblog zu einer Blogethik und einem Ausblick in die Abmahnpraxis in anderen Ländern. Mit dem Urheberrecht beschäftigt sich ein Interview mit Rechtsanwalt Johannes Richard.

Die graphische Gestaltung ist meiner bescheidenen Ansicht nach sehr gut gelungen und das Magazin sollte Pflichtlektüre für alle aktiven Blogger werden!

Heruntergeladen werden kann diese Premierennummer [als PDF] des Uploadmagazins hier!

 


»3. Die Arbeit von Ärzten interessiert mich, wie in früheren Artikeln nachzulesen ist, nicht nur wenn es sich um Sportmediziner handelt. Ich habe mich immer wieder mit den Strukturen des Gesundheitssystems, der Arbeitssituation von Ärzten und medizinischen Fragestellungen befasst und innerhalb dieses aktuellen ZEIT-Interviews (7.6.2007) mit Dr. Edmund Neugebauer1 werden einige Themen aufschlußreich angesprochen.

Im leider recht kurzen Gespräch unter dem Titel "Patient und Arzt auf Augenhöhe" weist Neugebauer u.a. darauf hin, daß die wahre Souveränität eines Arztes gerade darin zeige, wenn er in Zweifelsfällen auf die größere Expertise seiner Kollegen verweise. Interessant ist seine Anmerkung zum zwangsläufig eingeschränkten Wahrnehmungshorizont eines Arztes im Hinblick auf die Patientenzufriedenheit und erfolgreiche Behandlungen; Neugebauer führt aus:

Denn er sieht oft nur die Patienten wieder, denen er mit seiner Behandlung geholfen hat. Die anderen, denen es durch seine Bemühungen nicht besser und manchmal sogar schlechter geht, wechseln zu einem Kollegen. Der Arzt hat also eine verschobene Wahrnehmung, die durch Zufall bestimmt sein kann und auf keinen Fall repräsentativ ist.

 Lesenswert!


»4. Der immer lesenswerte Sciblog weist diesmal auf eine in Science veröffentlichte Stellungnahme hin, die sich mit der bereits bekannten Resistenzbildung von Unkräutern gegen die derzeit dominierenden Totalherbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat befaßt.

Ursprünglich waren die Biotech-Firmen angetreten, um durch den Griff in den Werkzeugkasten "Grüne Gentechnologie" den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln effizienter und eleganter zu machen. Denn zunächst besteht schlicht das Dilemma, daß ein Herbizid sowohl die Nutzpflanze, als auch das als Unkraut etikettierte Gewächs schädigt. Dem US-Konzern Monsanto gelang es, gentechnisch veränderte Pflanzen zu entwickeln, die gegen das präferierte Herbizid Glyphosat resistent sind.

Nach diesem Erfolg vermarktete Monsanto das maßgeschneiderte Saatgut und das Totalherbizid unter dem Markennamen "Roundup" im Paket. Seit einigen Jahren [siehe den lesenswerten telepolis-Artikel!] mehren sich nicht nur die Hinweise, daß Glyphosat doch nicht so umweltverträglich ist wie versprochen, sondern auch, daß außerdem immer mehr Beipflanzen (=Unkräuter) Toleranzen entwickeln. Dieser Effekt wird natürlich dadurch verstärkt, daß glyphosatbasierte Herbizide eine marktdominierende Stellung einnehmen. Es gibt wenige Alternativen und aufgrund der breitflächigen Anwendung reichlich Gelegenheit zur Resistenzbildung. Auch hier zeigt sich also, daß Monopolbildungen unerwünschte Effekte zeitigen.

Der kritische Beitrag von Robert F. Service mit dem Titel "A Growing Threat Down on the Farm"2 nimmt Bezug auf die ebenfalls in Science veröffentlichte Studie von Behrens et al.,3 die über die erfolgreiche Veränderung des Erbgutes der Sojabohne berichtet. Von der Forschergruppe um Mark Behrens von der Universität Nebraska wurde in die Sojabohne, nach dem selben Prinzip wie bei Glyphosat, ein Resistenzgen gegen das hier schlagkräftige Herbizid Dicamba eingebracht. Die Frage ist freilich, ob man hier sehenden Auges wieder in die Falle der problematischen Resistenzbildung läuft.

 

 

  1. Edmund Neugebauer ist Vorsitzender des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin und Direktor des Instituts für Forschung in der Operativen Medizin der Universität Witten/Herdecke []
  2. Science 25 May 2007: Vol. 316. no. 5828, pp. 1114 – 1117 []
  3. vgl. "Dicamba Resistance: Enlarging and Preserving Biotechnology-Based Weed Management Strategies", Behrens et. al., Science 25 May 2007: Vol. 316. no. 5828, pp. 1185 – 1188 []

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