Querverweise » Fundstücke, Lesenswertes & Links – 11

Fundstuecke_01c.jpgSchweden ist ein bezauberndes Land. Die Menschen zeichnen sich durch höfliche Umgangsformen aus und wissen sich gemäß aktueller Modetrends zu kleiden. IKEA ist – ungeachtet seiner kleinlichen Rechtsabteilung1 – der sympathischste aller global agierenden Konzerne und Stockholm hat zweifellos mehr zu bieten als Knäckebrot und Vasa-Museum.2

Um ehrlich zu sein, würde ich jederzeit wieder nach Schweden reisen und dies nicht nur, um stundenlang die überwältigende Auswahl in den Lebensmittelabteilungen zu bestaunen. Im Vergleich zu Angebot und der Präsentation eines gehobenen Stockholmer Supermarkts, versprüht die hierzulande gepriesene Feinschmeckerabteilung des Berliner KaDeWe den Charme eines abgewirtschafteten Kiosk inmitten einer Stadtrandplattenbausiedlung.

Mit einem Wort: Schweden ist klasse.3 Man sollte allerdings nicht den Fehler machen, im Juli oder August eine Trekkingtour in den Nationalparks Lapplands zu unternehmen. Wenn man zufälligerweise nicht gerade im Sprühregen steht oder stundenlang durch dichte Nebelbänke spaziert, dann wird man von Heerscharen skandinavischer Stechmücken geradezu aufgefressen. Im Prinzip könnte man sich an Tagen, an denen der Regen die Mücken nicht vertreibt, die Mitnahme von Proviant auch gleich vollständig sparen: ab und an mit weit geöffnetem Mund zu marschieren stellt die notwendige Proteinzufuhr ebenso sicher. Und merke: die Mücken, die man verschluckt, können einen nicht gleichzeitig stechen.

Woher ich das alles weiß? Von Martina und Jochen, die waren nämlich dort. Beileidsbekundungen und Tipps für Trekkingtouren ohne stechende Quälgeister bitte also an deren Adresse.

 


»1. Wenn ich in der Verlegenheit bin und in der Nähe der Münchner Uni ein Lokal aufsuchen will oder muß, so führt mich mein Weg nicht selten in den "Alten Simpl" in der Türkenstraße. Das liegt einerseits daran, daß man dort irisches Bier trinken kann, andererseits schätze ich den geschichtsträchtigen Ort. Der "Simpl" wurde nämlich bereits 1903 von der Wirtin Kathi Kobus gegründet und war lange Jahre Gravitationszentrum und Treffpunkt der "Schwabinger Bohème". Frank Wedekind, Ludwig Thoma und auch Joachim Ringelnatz verkehrten hier. Der Name verwies freilich nicht umsonst auf die 1896 gegründete satirische Wochenzeitschrift "Simplicissimus". 

Im "Simplicissimus" veröffentlichten so namhafte Autoren wie George Grosz, Hugo von Hofmannsthal oder Thomas und Heinrich Mann. Und selbstverständlich steuerten auch Erich Kästner, Kurt Tucholsky oder Franziska zu Reventlow4 Texte bei. Das Erscheinungsbild des "Simplicissimus" war geprägt durch die rote Bulldogge, die der Zeitschriftengründer Thomas Theodor Heine gezeichnet hatte. Und genau diese Bulldogge, allerdings eine Sektflasche öffnend, bildet heute noch das Logo der Kneipe "Alter Simpl".

Wer sich übrigens die Originalausgaben des "Simplicissimus" als PDF-Faksimiles anschauen will, hat seit einigen Monaten nun dazu Gelegenheit. Unter der Adresse "www.simplicissimus.com" können die vollständigen Digitalisierungen der Jahrgänge 1896-1944 eingesehen werden. Dafür hat man der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar, der RWTH Aachen und dem Deutschen Literaturarchiv Marbach zu danken. Ich selbst danke für die Hinweise [hier und hier].

 

 


»2.  Von der Avantgarde der vorigen Jahrhundertwende zu einer der stilprägendsten Bands Deutschlands. Tocotronic haben – wie auch in der Wissenswerkstatt festgestellt wurde – mit ihrem diesjährigen Album "Kapitulation" ein zeitlos schönes Popkunstwerk geschaffen. Seit dem Erscheinen des Albums sind nun gut zwei Monate vergangen und nun läßt sich sagen, daß sich die Songs keinesfalls abnutzen, sondern mit etwas Abstand noch heller strahlen.

Wenn man den begeisterten Notizen glauben darf, die von aktuellen OpenAir-Auftritten5 berichten, so ist von der Clubtour im Herbst einiges zu erwarten. Die Zeit bis dahin kann man sich mit der zweiten Singleauskopplung, der – so die Selbstauskunft der Band – musikalischen Hubert-Fichte-Huldigung "Imitationen" vertreiben. Das Video zur Single ist ab heute zu besichtigen. Leider ist es noch nicht möglich, das Video direkt hier einzubinden. Alle, die es nicht erwarten können, sind eingeladen hier zu klicken.

Als kleiner Ersatz sei an dieser Stelle ein kleiner Soundcheck-Schnipsel eingestellt – es muß wohl eine Tour von vor 2-3 Jahren sein, in der Dirk von Lowtzow den "Right Said Fred"-Hit "Your’re my mate" anstimmte. Zart und schön – aber sehen und hören sie selbst:

 

 

 


»3. Nachdem ich inzwischen schon Mails von Unternehmen bekomme, die sich im weiten Feld von Medizin und Pharmazie betätigen und um Kooperationen anfragen, will ich diesen mühsam erarbeiteten Ruf als medizinisches Fachblog weiter festigen.

Auf eine interessante Entwicklung weist Kathrin Zinkant im Gesundheitsblog der ZEIT hin: die Werbeausgaben der global agierenden Pharmaunternehmen steigen überdurchschnittlich an – aus rein marktwirtschaftlicher Sicht mag Kritik daran verboten sein. Schließlich liegt es im Ermessen der jeweiligen Unternehmen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Wenn man glaubt, mehr PR-Fachleute einstellen zu müßen, dann ist es eine Entscheidung, die sich am Markt bewähren muß. Zumal man ja der Ansicht sein könnte, daß Ärzte ohnehin nüchtern über das jeweils taugliche Medikament entscheiden, das verschrieben wird. Und für rezeptpflichtige Medikamente gibt es in Deutschland bislang noch ein Werbeverbot:

In Deutschland dürfen rezeptpflichtige Medikamente nicht beworben werden. Noch nicht. Aber erstens wird die Reklame für Blutdrucksenker und Co. auch irgendwann in unserer schönen Reklamewelt ihr Plätzchen kriegen. Die Pharamalobby arbeitet hart daran, erste Erfolge hat sie bereits zu verzeichnen. Und zweitens haben wir offenbar schon ein eher schleichendes Werbeproblem… [Quelle: ZEIT]

Die Frage ist natürlich, ob durch das offizielle Werbeverbot nicht stillschweigend subtilere Marketingstrategien provoziert werden; und diese können schwerer überwacht werden.

Eine aktuelle Studie im New England Journal of Medicine förderte übrigens spannende Ergebnisse zutage:

Total spending on pharmaceutical promotion grew from $11.4 billion in 1996 to $29.9 billion in 2005. Although during that time spending on direct-to-consumer advertising increased by 330%, it made up only 14% of total promotional expenditures in 2005. [New England Journal of Medicine]

Das sind Summen: knapp 30 Billionen US-Dollar wurden 2005 jährlich für Marketing verpulvert. Innerhalb weniger Jahre verdreifachten sich die Ausgaben. Und wie zu lesen ist, sind es offenbar Ärzte, Kliniken, Apotheker, die mit über 80% des Budgets bearbeitet werden. Es gibt aber einige Medikamente, die hier eine Ausnahme bilden… 

Fast allen voran – Erythropoietin-Medikamente. Landläufig unter EPO bekannt – hier wurden nicht 14%, sondern stattliche 31% für die Werbung ausgegeben, die sich direkt an die Konsumenten richtet. Durchaus erstaunlich, denn ein Medikament, das im Grunde nur bei Nierenerkrankungen indiziert ist, bedürfte eigentlich keines Direktmarketings… aber so kann nur denken, wer die Heerscharen leistungshungriger Profi- und Hobbysportler außer Acht läßt.

 

Über den Verkaufsschlager EPO und die fragwürdige Haltung der Pharmaunternehmen hatte vor wenigen Wochen auch Mirjam Fischer berichtet – allein die Top-3 der Unternehmen (Johnson&Johnson, Amgen, Roche) in diesem Segment erzielen mit EPO-Präparaten ca. 8 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz. Insofern ist eine scheinheilige Aussage wie diese kaum verwunderlich:

(…) Bei Roche fühlt man sich nicht für die missbräuchliche Verwendung der eigenen Produkte zuständig. "Wir verkaufen unser Epo wie jedes andere Medikament an den Großhandel – was danach passiert, interessiert uns nicht", sagt Roche-Kommunikationsdirektor Hans-Ulrich Jelitto… 

Fischer, Mirjam (2007): Epo – der Topseller, SpiegelOnline, 10.7.2007

 

 


»4. Einer der profiliertesten Sportwissenschaftler hierzulande ist Prof. Helmut Digel. Der Soziologe, der an der Universität Tübingen lehrt und lange Jahre Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes und Mitglied in Spitzenverbänden des Sports war, weist in einem Zwischenruf in SpiegelOnline auf die Tragweite der Dopingproblematik hin. Wie vor wenigen Wochen in diesem Blog gefordert wurde [etwa: hier], so argumentiert auch Helmut Digel, daß die seit Jahren beschworenen Selbstheilungs- und Selbstregulationskräfte des Sports zu schwach seien. 

Wer nach wie vor darauf beharrt, daß der Sport lernfähig sei und Regelverstöße selbst ahnden könne, der signalisiert nur, daß ihm die Sportautonomie mehr wert ist, als ein tatsächlich sauberer Sport.

Der Sport sollte sich mit seiner Sportgerichtsbarkeit um seine eigenen Belange kümmern. Der Staat hingegen sollte mit seinem Machtmonopol all jene bedrohen, die den Sport gefährden: Die Ärzte, die Trainer, die Manipulateure, die Drogendealer, die Athleten, die Funktionäre. All jene müssen bedroht werden, die glauben, dass man sich über Sportbetrug bereichern kann. Dabei müsste es zu einer Selbstverständlichkeit werden, dass Sportverbände die Staatsanwaltschaft über positive Doping-Proben sofort und unmittelbar informieren, was die Möglichkeit einer wirkungsvolleren Ermittlung zur Folge hätte. In der heutigen Praxis besteht für beschuldigte Sportler zu viel Zeit, um jegliche Verbindungen zu möglichen Hintermännern und weitere belastende Indizien verschwinden zu lassen. Nicht weniger konsequent müssen überführte Täter ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Auch das kann nur ein Anti-Doping-Gesetz mit Straftatbestand gewährleisten.

Ob Digel mit diesem Standpunkt tatsächlich Gehör findet oder ob die beschwichtigenden Stimmen, die dann einwenden, man dürfe Sportler nicht kriminalisieren, Oberhand behalten, wird die Zukunft zeigen. Bis dahin finden sich zahlreiche Argumente unter den folgenden Links:

Literaturtipps:

 

 


 

 

  1. Der Blog "IKEAHacker.de" wurde freundlich aber bestimmt darauf hingewiesen, daß man mit den auf der Seite unterbreiteten Vorschlägen nicht einverstanden sei. Einer der Gründe: Haftungsfragen. Sicher nicht ganz von der Hand zu weisen, aber nicht unbedingt zwingend… Mehr Details dazu hier, hier und hier. []
  2. Wobei das "Vasa-Museet" unbedingt einen Besuch lohnt! Das 1628 bei seiner Jungfernfahrt gekenterte Kriegsschiff ist tatsächlich mehr als imposant. []
  3. Dieser Meinung sind auch viele andere, die jüngst Schweden bereist haben… etwa hier oder auch Sophie. Im Schwedenblog findet man ohnehin viel positives über das Land im Norden. []
  4. Wer sich für Leben und Werk von Fanny zu Reventlow interessiert, wird alsbald hier in der Wissenswerkstatt eine spannende Arbeit finden. Mit dem Versprechen, daß v.a. Reventlows kurzer Roman "Von Paul zu Pedro" aus interessanter Perspektive beleuchtet wird, seien die interessierten Leser noch einige Tage vertröstet. []
  5. Begeistert zeigen sich u.a. Popxapank und Meinzuhause. []

4 Gedanken zu „Querverweise » Fundstücke, Lesenswertes & Links – 11“

  1. Wobei das „Vasa-Museet“ unbedingt einen Besuch lohnt! Das 1628 bei seiner Jungfernfahrt gekenterte Kriegsschiff ist tatsächlich mehr als imposant

    Und ich kenne die Frau des Mannes, der für die Bergung des Schiffes mit hauptverantwortlich war! ;-)

    Neben Hamburg und San Francisco zählt Stockholm zu den Städten, die ich mir als dauerhaften Wohnsitz vorstellen könnte.

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  2. @Daniel:
    Die aufwendige Bergung der Vasa habe ich im dortigen Museum in der Filmvorführung bewundert. Mit persönlichen Bekannten, die damals beteiligt waren, kann ich freilich nicht aufwarten..

    @bosch: Um ehrlich zu sein, bin ich auch reichlich unbeleckt was Hubert Fichte angeht. Ich habe nur den Ankündigungstext von Tocotronic selbst zitiert – interessant finde ich freilich, daß Fichte in die Nähe von Brinkmann gerückt wird. Und Marcel Proust wird als Einfluß genannt. Wir erinnern uns: „Nach der verlorenen Zeit…“

    Aber vielleicht ist die Assoziation auch schlicht auf den Titel bezogen? Nicht umsonst lautet Fichtes Roman von 1971: „Detlevs Imitationen »Grünspan«.“ Ist aber nur ein Verdacht meinerseits…

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