Die letzten Wochen bin ich für meine Verhältnisse sehr viel unterwegs. Erst der Workshop in Bamberg, dann das zweitägige Barcamp und in gut einer Stunde werde ich nach Augsburg aufbrechen, wo bis Freitag eine Tagung zur Diskursanalyse stattfindet. Thematisch entferne ich mich also vorübergehend der Blogosphäre und wende mich Fragen meiner Doktorarbeit zu. Dort unternehme ich ja den Versuch abzuklären, wie Gesellschaft und Wissenschaft auf die Einsicht reagieren, daß trotz aller zur Verfügung stehenden Mittel handlungsleitendes Wissen nicht eindeutig sichergestellt werden kann.
Hört sich komplizierter an, als es ist. Mein Interesse richtet sich schlicht darauf, wie bspw. die Wissenschaft selbst damit umgeht, wenn sie gewärtigen muß, daß trotz aller Bemühungen ihre Erkenntnisse immer mit einer Restunsicherheit behaftet bleiben. Was eben problematisch wird – und das ist der konkrete Gegenstand meiner Forschung – wenn das wissenschaftliche Wissen (wie im Beispiel von medizinischen Gentherapien) Grundlage für hochriskante Handlungen darstellt. Was ist, wenn es schiefgeht – so eine der Fragen. Resigniertes Aufhören? Trotziges Weitermachen?1
Das alles ist natürlich sozial und somit sprachlich vermittelt. Hier setze ich mit einer Diskursanalyse an. Und erhoffe mir die nächsten Tage einige interessante Erkenntnisse… "Sprache – Macht – Wirklichkeit" ist die Tagung überschrieben. Spannend wird es für mich morgen vormittag, da steht dann der Unterpunkt "Das Verhältnis von Sprache und Wissen" auf dem Programm. Bevor ich nach Augsburg starte hier noch ein paar kleine Querverweise.
»1. Mein Weg führt mich nachher an die Universität Augsburg. Das Semester hat ja noch nicht begonnen. Platz genug also für den Mittelbau, sich in den heiligen Hallen der Unis auszutoben. Wenn die Studenten wieder anrücken, dann stellt sich auch wieder die Frage nach den Studienbedingungen, der Betreuungsqualität und insgesamt nach dem Stellenwert universitärer Lehre.
Ich selbst bin ja der Meinung, daß genau diese (Haupt-)Aufgabe der Universität immer noch recht stiefmütterlich behandelt wird. Die Fähigkeit der Dozenten Lehrveranstaltungen abzuhalten ist leider nur ein Einstellungskriterium, das irgendwo auf den hinteren Plätzen rangiert. Dementsprechend gruselig ist dann teilweise das Angebot. Sicher einer der Gründe dafür, daß rund 30% der Studienanfänger die Uni ohne Abschluß wieder verlassen. Letzte Woche wurden dazu Zahlen des Stifterverbandes der deutschen Wissenschaft vorgestellt. Allein die Studienabbrecher verursachen Kosten in einer Höhe von über 2 Milliarden Euro. Die genauen Zahlen sind meiner Ansicht nach nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist, daß hier Ressourcen brachliegen und individuelle Talente und Potentiale einfach durch den Rost fallen…
Ein telepolis-Artikel stellt v.a. auf die ökonomischen Daten ab:
Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat errechnet, dass mit der hohen Abbrecherquote nicht nur das Scheitern vieler persönlicher Lebensplanungen, sondern auch ein beträchtlicher ökonomischer Schaden verbunden ist. Vergleicht man die entsprechenden Quoten an Universitäten und Fachhochschulen mit den jährlichen Kosten für einen Studienplatz (etwa 4.500 €) und der durchschnittlichen Verweildauer der Abbrecher (7,5 Semester), dann ergibt sich laut Stifterverband ein staatliches Verlustgeschäft von 2,2 Milliarden Euro pro Jahr, während die gesamte Volkswirtschaft infolge fehl geschlagener privater Investitionen und ausbleibender Einkommen mehr als 7,6 Milliarden Euro verliert.
Lesenswert ist der Artikel allemal…
- Stegemann, Torsten: Das teure Scheitern. telepolis, 2.10.2007
»2. Von meiner nicht(mehr)bloggenden Freundin Sandra wurde ich auf die Aktion "Deine Stimme gegen Armut" aufmerksam gemacht. Sie ergänzte ihren Hinweis mit der Bemerkung, daß mit dieser Aktion "mehr erreicht werden könne als mit einem roten Banner in der Ecke".
Die Tatsache, daß mit dieser von prominenten Künstlern unterstützten und professionell aufgezogenen Aktion ein vielfach größeres Publikum angesprochen werden kann, will ich gar nicht in Abrede stellen. Dennoch bin ich mir nach meinen Erfahrungen mit dem "Free Burma"-Projekt nicht ganz sicher, welche Art der politisch-sozialen Mobilisierung und v.a. Sensibilisierung zielführender ist. Ich hatte beim Barcamp noch einige interessante Gespräche. Klar, mit Robert und Benedikt sowieso, aber auch mit vielen anderen. Ich habe den Verdacht, daß der bloße Sachverhalt, daß man von der Rezipientenrolle in die Produzentenrolle rutscht (wenn man eben ein Banner + Text auf dem eigenen Blog plaziert) tatsächlich geeignet ist, das eigene Verhalten zu ändern. Die bloße Beteiligung an Unterschriftenlisten oder die (eben passive!) Kenntnisnahme, daß einige Pop- und Rockstars sich gegen Armut engagieren, ist da meiner Ansicht nach weniger nachhaltig.
Dennoch halte ich die Aktion am 17. Oktober für wichtig. Die Blogsphäre darf gerne die Botschaft weiter verteilen. ;-)
Was mir freilich bei der kurzen Durchsicht der Aktionswebseiten aufgefallen ist: es gibt natürlich auch einen Blog zu der Aktion, nur: es gibt kaum Kommentare. Ich habe insgesamt nur 2-3 Stück gesichtet. Ist das Zielpublikum zu faul, hier wenigstens zwei Sätze beizusteuern? Oder was machen die Organisatoren falsch? Ist das Angebot zu glatt, zu professionell?
Weiteres Beispiel: verschiedene Künstler fordern zur Beteiligung auf – so auch die Band "Beatsteaks"2. Allerdings ist mir dieser Videoschnipsel zu banal. Außerdem: ich würde es für sinnvoller halten, das auf youtube einzustellen. Denn ich für meinen Teil habe gerade keine Ahnung, wie ich ein "myvideo"-Video einbinde. Wenn ich gefragt worden wäre, dann hätte ich den Verantwortlichen anderes geraten…
»3. So, die Zeit läuft mir davon und ich muß noch meinen Mitfahrer Mirko anrufen, um abzuklären, wann wir uns treffen. Deshalb abschließend nur der Verweis auf folgende wunderbare Website:
- Radiohead – I’m creep – acoustic (Flashwebsite)
Heute ist es ja möglich, das neue Radiohead-Album "In Rainbows" per Download zu beziehen. Ich hatte ja das letzte Mal [hier] darauf hingewiesen. Wenn das neue Album nur 2-3 Songs dieser Güteklasse enthält, darf man sich wohl nicht beschweren. Bis das geklärt ist, ist ein nostalgischer Blick auf die oben verlinkte Website unbedingt zu empfehlen.
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