Ihr erstes Album trug den Titel „Soviet Kitsch“ und war doch alles andere als das. Bereits im Jahr 2004, kurz bevor Regina Spektor begann, sich mit ihren Songs einen festen Platz in der Indie-Folk-Szene zu erobern, war unüberseh- und vor allem: unüberhörbar: hier ist eine musikalische Kunstfertigkeit am Werk, wie sie sehr, sehr selten ist.
Ich selbst habe Regina Spektor erst vergangenes Jahr entdeckt.1 Mit ihrem zweiten richtigen Album „Begin to hope“ sorgte die damals gerade 26-jährige erstmals auch in Europa für größeres Aufsehen. Sie paßt so gut ins Bild der individualistischen Indie-Pop-Szene New Yorks, daß man leicht vergißt, daß Regina Spektor (die 1980 in Moskau als „Регина Спектор“ geboren wurde) die ersten neun Jahre ihres Lebens in der Sowjetunion verbracht hat, bevor sie mit ihren Eltern – nach einer kleinen Odyssee mit Stationen in Österreich und Italien – eben in New York strandete.
Die Songs von Regina Spektor enthalten ein wunderbares Destillat aus Pop- und Rockmusik mit feinen Anteilen von Jazz und Klassik. Und ihre extravagante Stimme setzt diesen Pop-Kunststücken die Krone auf.
In ihrer Musik, die einen immensen Reichtum von Referenzen an verschiedene Musikstile beherbergt, sind diese biographischen Umbrüche spür- und hörbar. Im Ergebnis ist das natürlich eingängige Popmusik. Allerdings verschmelzen hier Pop-, Rock- und Folktraditionen mit den besten Zutaten weiblichen Singer-Singwritertums.2
Und über die handwerklichen Fähigkeiten von Regina Spektor ist sicher kaum eine Diskussion vonnöten: von ihren Eltern (beides Violinvirtuosen, ihre Mutter lehrte als Professorin an einer Musikhochschule) bekam sie so viel musikalisches Talent in die Wiege gelegt, daß man erst merkt, woran es anderen Musikern mangelt. Bei Regina Spektor freilich kommt die überreiche Begabung in ihrem souveränen Klavierspiel und in ihrem beeindruckenden Stimmvolumen zum Ausdruck.
Und wenn man neben dem charmanten Ideenreichtum des Songwritings (hier ist nichts nach Schema F gestrickt!) noch einen weiteren Grund dafür anführen muß, daß Regina Spektor berechtigterweise zu den ganz Großen ihres Fachs gehört, dann ist es ihre Stimme. Ihr Gesang ist derart einprägsam, so daß sie den Vergleich mit Fiona Apple oder Tori Amos keineswegs scheuen muß. Im Gegenteil: so kraftvoll, so spielerisch und selbstsicher tritt keine andere der Indie-Frontfrauen auf.
Alles in allem: die beiden Alben von Regina Spektor sind vollumfänglich zu empfehlen und wer sich erst einmal in die teilweise wunderbar unorthodoxe Intonationen und Paraphrasierungen mancher Gesangspassagen eingehört hat, der ist vermutlich auch schon verloren. Vorsicht: Ohrwurmgefahr!3
Hier das hübsche Video zum Song „Fidelity“:
Empfehlenswerte Platten/CDs:
- Regina Spektor – Soviet Kitsch (2004)
- Regina Spektor – Begin to Hope (2006)
Ebenfalls mehr als hörenswert:
- CocoRosie – The Adventures of Ghosthorse and Stillborn (2007)
- Und habe seither ihre Platten immer wieder gehört. Und da ich gestern zufällig auf dieses unten eingebundene Video gestoßen bin, ist das dann auch der passende Beitrag zu diesem kleinen Werkstattjubiläum – es ist immerhin der hundertste Artikel. Schön, daß Sie mitlesen. ;-) [↩]
- Eine Nähe zu den „Dresden Dolls“ oder zu „CocoRosie“ kann auch nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Ob man dieses Genre dann als Anti-Folk oder Neo-Folk bezeichnen muß, sei dahingestellt. [↩]
- Ich werde – da auch einige andere Songs des aktuellen Albums mit einem sehenswerten Video aufwarten – vermutlich in der Zukunft noch weitere YouTube-Schnippsel von Regina Spektor einbinden. [↩]