Alle Jahre wieder: Glühwein- und Plätzchenduft benebelt die Sinne, man stürzt sich ins Gedränge des Weihnachtskaufrausches und schließlich werden Weihnachtsbäume geschmückt und Geschenke überreicht. Und der ganze Weihnachtszauber wird üblicherweise von zuckersüß-seichtem Liedgut untermalt.
Aber seien wir ehrlich: wer will ernsthaft vom allgegenwärtigen "Last Christmas" dauerberieselt werden (es sei denn in der Erdmöbel-Variante) und nur die ganz Hartgesottenen halten durch, wenn der Tölzer Knabenchor das klassische deutsche Weihnachtsliedgut anstimmt…
Die wunderbare schweizerische Indie-Ska-Band »Die Aeronauten« formulierte einst die Hoffnung, daß wenigstens der Schnee solche (auch musikalischen) Sünden zudecke: "Es tut nicht weh, es ist nur Schnee / kaltes Weiß bedeckt den Scheiß.“1 Und einer der ebenfalls jahrelang durch den Weihnachts-Singsang gequält und gemartert wurde ist Sufjan Stevens.
Den Weihnachts-Singsang mit den eigenen Waffen schlagen: Sufjan Stevens bläst zur Christmas-Song-Attacke
Der ganze massive Erhabenheitszwang, der säuselnde Weihnachtskitsch führten beim US-Songwriter und Klangarrangeur Stevens fast zu einer kleinen Festphobie. Im Jahr 2001 kam allerdings die Trendwende: seine Abscheu vor dem Weihnachtstrara kurierte er mit einer Art Schocktherapie: er setzte sich hin und spielte für Freunde einige Weihnachtsklassiker neu ein und ergänzte diese Sammlung um ein paar eigene weihnachtliche Songs. 17 Minuten dauerte diese erste CD, die Sufjan seinen Freunden zum Weihnachtsfest anno 2001 schenkte. Sie beginnt mit einer minimalistischen Version von »Stille Nacht« und endet mit »Amazing Grace«. Dazwischen finden sich bittersüße, herrlich verschrobene Sufjansongs.
Zart, subtil, euphorisch, sentimental: Sufjan Stevens bringt in seinen Interpretationen die klassischen Songs zum leuchten und bringt eigene wunderschöne Stücke zu Gehör.
Und da auch der talentierte Mr. Stevens einen Sinn für Traditionen hat, wiederholte er diese Aktion in den folgenden Jahren. Immer wieder interpretierte er klassisches Liedgut mit Banjo, Gitarre oder Klavier und holte sich Verstärkung aus seinem Freundeskreis, so daß bisweilen herrliche Chöre jubilieren bevor der nächste Akkord den Kitschverdacht ausräumt.
Inzwischen sind diese Weihnachts-Mini-CDs als Christmas-CD-Box erschienen und auch käuflich zu erwerben. 42 Songs sind darauf versammelt.2 Wer sich also für wunderschöne, schräge, verspielte, liebevolle und ironische Weihnachtssongs begeistern kann, der wird hier sicher belohnt. Und einer der herrlichsten Songs ist hier mit einem ebenso wunderbaren Video zu sehen.
In diesem Sinne: Put the Lights on the Tree!
CD-Empfehlungen:
- 2003: Greetings from Michigan: The Great Lake State
- 2004: Seven Swans
- 2005: Illinois
- 2006: The Avalanche
- 2006: Songs For Christmas
Artikelempfehlung:
- Wissenswerkstatt: Einladung ins Wunderland » Sufjan Stevens singt Lieder über Gott und die Welt, 13.4.2007