Ende der Spaltung » Soll man die Max-Planck-Institute in die Universitäten integrieren? | Werkstattnotiz LVII

Zur Struktur der deutschen Forschungs- und Hochschullandschaft, zur Konkurrenzfähigkeit der hierzulande betriebenen Wissenschaft ist in den letzten Jahren viel gesagt worden. Im Zuge der Exzellenzinitiative wurden "Eliteuniversitäten" gekürt, die mit zusätzlichen Forschungsmillionen rechnen dürfen und – das ist den Hochschulpolitikern wichtig – zukünftig mit den besten Universitäten der Welt konkurrieren sollen.

Nun melden sich einige erfahrene Wissenschaftler zu Wort und weisen auf ein grundlegendes Strukturproblem hin: nämlich die Aufspaltung der Grundlagenforschung zwischen Universitäten und den Max-Planck-Instituten. In einem lesenswerten Artikel in der FAZ skizzieren die Forscher einen Ausweg aus dem Dilemma.

In den internationalen Wissenschafts-Rankings findet man deutsche Universitäten selten auf vorderen Plätzen

Wenn wieder mal internationale Rankings veröffentlicht werden1, dann finden sich auf den Top-Positionen mit schöner Zuverlässigkeit die üblichen Verdächtigen: Harvard, Stanford, Cambridge, Oxford und Co. machen die vorderen Ränge unter sich aus. Irgendwo dahinter plaziert sich meist die schweizerische ETH Zürich, der ganze Stolz der Eidgenossen. Und mit einigem Sicherheitsabstand folgen dann die deutschen Universitäten: München, Heidelberg, Karlsruhe, Aachen…

Die deutsche Forschung spielt – das ist die Schlußfolgerung aus solchen Listen – nur in der zweiten Liga. Was oft vergessen wird: in diesen Rankings werden oftmals Äpfel mit Birnen verglichen und die deutschen Max-Planck-Institute bleiben bspw. sowieso außen vor.

Im FAZ-Artikel konstatieren die Forscher rund um den Nobelpreisträger Günter Blobel:2

Die ernsthaften Bemühungen unserer Politiker für die Exzellenzinitiative sind zu begrüßen, wenngleich diese angesichts des vorgesehenen Finanzvolumens und der Kurzzeiterwartungen bestenfalls als rührend zu bezeichnen sind. Es wundert einen aber sehr, dass wirkliche Analysen der strukturellen Unterschiede zwischen der deutschen und der angelsächsischen Wissenschaftslandschaft so gut wie nicht angestellt werden.

Warum etwa erwähnt niemand in Anbetracht solch betrüblicher Ranking-Resultate, dass wir über 78 Max-Planck-Institute verfügen, in denen wir einen Großteil unserer Forschungselite fein säuberlich von den Universitäten absondern?

Sie weisen darauf hin, daß ursprünglich die Max-Planck-Institute gemäß dem Harnack-Prinzip3 etabliert wurden: rund um eine herausragende Wissenschaftlerpersönlichkeit4 wurde ein exzellent ausgestattetes Institut gruppiert. Diese Institute haben sich (wie es Institutionen gerne an sich haben) aber oftmals verselbstständigt. Das Problem: der Austausch zwischen den viel zu oft kaputt gesparten Universitätsinstituten und den einigermaßen attraktiv situierten MPIs findet kaum statt. Die Unis sind die Schmuddelkinder, sollen aber die erste Ausbildung des Nachwuchses gewährleisten. Wer weiter an der Universität bleibt, ist aber in vielen Disziplinen benachteiligt:

Eine harte, aber ungleiche Konkurrenz ist längst Alltag: Der Universitätsnachwuchs ist dabei, was die Forschungsmöglichkeiten betrifft, extrem benachteiligt. […] Studenten, die an Max-Planck-Instituten promovieren, treffen auf beste Arbeitsbedingungen und hochqualifizierte Forscher. Es ist unstreitig, dass die besten Studenten ausgezeichnete Bedingungen und bestmögliche Unterstützung erhalten sollen.

Die Forscher kritisieren, daß der mangelnde Kontakt zwischen den beiden Sphären dazu führt, daß nicht immer die besten Absolventen an den MPIs landen. Denn wenn während des Studiums kein Kontakt zu den Unis besteht, so ist es später zu oft der Faktor Zufall, der über weitere Karrierewege bestimmt. Die MPIs hätten die Bedingungen, um exzellenten Nachwuchsforscher herausragende Möglichkeiten zu geben, aber diese lernen sie eben – weil der Kontakt fehlt – zu selten kennen.

Die Max-Planck-Institute sind hervorragend ausgestattet. Wieso integriert man sie nicht als eigene Institute in die Unis?

Deshalb erheben die Wissenschaftler die Forderung, die Max-Planck-Institute viel enger an die Universitäten anzubinden, sie mit eigenem Promotionsrecht auszustatten und sie quasi als eigene Eliteinstitute in die Unis zu integrieren: 

Zum anderen sollten erfolgreiche MPI, deren Forschungsaktivitäten parallel zu jenen an Universitäten laufen oder laufen könnten, in unser Universitätssystem eingebunden werden.

Im Ergebnis – so die Hoffnung – könnten beide Bereiche voneinander profitieren, zumindest was Räumlichkeiten, Sachmittel und Know-How betrifft… Ob ein solches Rezept bei den Verantwortlichen auf offene Ohren stoßen wird? Ich bin skeptisch…

 


Link:

Literatur:

 

  1. Über deren Sinn und Aussagekraft man im Einzelfall streiten darf. []
  2. Folgende Autoren sind Unterzeichner des Artikels: Günter Blobel (Biomedizin, Rockefeller University, New York), August Böck (Biologie, Ludwig-Maximilians-Universität München), Ernst Helmreich (Biochemie, Universität Würzburg), Franz Mayinger (Maschinenbau, Technische Universität München), Walter Neupert (Chemie, Ludwig-Maximilians-Universität München), Manfred Sumper (Biochemie, Universität Regensburg), Widmar Tanner (Biologie, Universität Regensburg), Peter Walter (Biochemie, University of California, San Francisco) und Meinhart Zenk (Biologie, Danforth Plant Science Center, St. Louis) []
  3. Das Harnack-Prinzip geht auf den ersten Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft den Theologen Adolf von Harnack zurück. Dieser etablierte die Institute, die um Spitzenforscher gruppiert wurden, die dann weitestgehende Autonomie besaßen. []
  4. Als Beispiel kann das frühere Starnberger-Institut angesehen werden, das um die Doppelspitze Carl Friedrich von Weizsäcker und Jürgen Habermas aufgebaut wurde. []

1 Gedanke zu „Ende der Spaltung » Soll man die Max-Planck-Institute in die Universitäten integrieren? | Werkstattnotiz LVII“

  1. Lieber Marc Scheloske,

    das ist ein recht guter Artikel. Seit langem basiert die deutsche Forschung auf universitärer Forschung, ausseruniversitärer Forschung
    (bspw. Helmholtz-, Max Planck- Leibniz-Institute oder Fraunhofer Gesellschaft). sowie F&E der Wirtschaft. Das ist auch gut so.

    Die sog Exzellenzinitiative ist eine Schimäre, die aus sachlichen Gründen und wegen der Qualität der Arbeit nicht benötigt wird. Sie wird jedoch wegen der internationalen Vergleichbarkeit und dem damit verbundenen Zwang zur Nivellierung, Vereinheitlichung und Einflussnahme nötig.

    Der Wissenschaftsrat fordert seit über 30 Jahren, dass in der Wissenschaft Merkmale betont werden, welche folgende Kriterien kultivieren:

    1) Selbstorganisation der Wissenschaft mit den Ziel, den Anteil autonomer Grundsatzprojekte mit rein wiss. Charakter zu steigern.
    2) Anhebung der Qualität der Wissenschaft durch die stärkere Bearbeitung und Berücksichtigung der Methodik und Kontrolle der Aussagefähigkeit von Experimenten, Mess- und Betrachtungsweisen.
    3) Verbesserung der internationalen Kooperation/Vergleichbarkeit
    4) Folgen- und Risikoabschätzung der Wissenschaftsprogramme.
    5) Laufende peermäßige Rechtfertigung der Forschungsergebnisse in Publikationen mit Refereesystem.
    6) Unabhängigkeit von äußerer politischer und finanzieller Einflussnahme
    7) Stabilisation von wiss. Karrieren.

    Die Realisation dieser Merkmale hängt nicht davon ab, ob man zu einer Universität gehört oder nicht. Die Universitäten dienen hauptsächlich der Erwachsenenbildung und haben seit der Bildungsreform der 1970er Jahre ihre Funktion als Podium großer Ideen eingebüßt. Die Gleichstellung des Geschehens an den Politechnika als „Universities for Applied Sciences“ nach amerikanischem Vorbild mit wiss. Bildung an den Unis hat das Bewusstsein für wiss. Bildung verwischt, um nicht zusagen völlig ruiniert. Dabei wurde ein recht eindrucksvolles „Mandala“ eingerissen, ohne den Sinn dieses Vorgangs zu erkennen, und ohne dass man ein neues angelegt hätte. Was wir jetzt haben ist eine gewachsene Struktur des Machbaren mit allen Vor- und Nachteilen und bildet den Zustand von Gesellschaft und Kultur insgesamt ab, von deren Verkümmerung sich Wissenschaft nicht emanzipieren konnte, jedoch abwenden muss.

    So gesehen ist der Zweck der außeruniversitären Forschung sinnvoll und die Arbeitsteilung zwischen MPG (Grundlagen), Helmholtz (Großforschung), Leibniz (Service) und Fraunhofer (Anwendung) auch.
    Die Leitlinien von F&E in der Wirtschaft gehorchen eh anderen Gesetzen.

    Zweifellos könnten einige Institute umgruppiert und/oder den Unis zugeschlagen werden. Jede Änderung der Arbeitsteilung würde im jetzigen Machtklima auf eine Kürzung der Mittel und strengen äußeren Einfluss (vor allem von Politik, gesellschaftlichen Gruppen und Wirtschaft) auf die Wissenschaftsprogramme hinauslaufen. Dabei ist völlig klar, dass die Universitäten den einen oder anderen „Namen“ der außeruniversitären Forschung gerne in ihrem Publikationsnachweis sehen wollen.

    Viele Verknüpfungen gibt es ohnehin. Als Folge des Einflusses des Wissenschaftsrats sind herausgehobene Wissenschaftler der ausseruniversitären Einrichtungen Professoren an den örtlichen Unis.
    Institute mit hohem Service- und Methodencharakter finden sich als sog. An-der-Uni-Institute wieder.

    Änderungen in der Organisation von Wissenschaft sind äußerst langwierige Prozesse, die weniger wissenschaftlichem Fortschritt und der Vernunft gehorchen, sondern dem Satz von T.S. Kuhn folgen, dass Innovation in der Wissenschaft nicht durch Einsicht, sondern durch Wegsterben der Vertreter überkommener Ideen geschieht.

    Ich habe als ehem. Mitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler viel Veränderung in der Wissenschaft beobachtet und als ehem. Mitglied des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung konkret erlebt. Diese Zeilen können also nur einen ganz kleinen Eindruck der Tragweite Ihrer Frage berühren, die den Grundsatz der Organisation der Wissenschaft angeht.

    Viele Grüße Ihr

    Ulrich Adler

    die hier dargelegte Meinung ist rein privat und vertritt nicht die Linie der erwähnten Einrichtungen.

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