Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, hat dafür zumeist einen guten Grund. Und meist ist es ja auch ratsam die Beschwerden von einem Fachmann abklären zu lassen – in manchen Fällen wäre es allerdings besser gewesen, die Betroffenen hätten sich den Gang zum Arzt oder in die Klinik gespart: denn erst grobe Behandlungsfehler sorgen für Schäden, die vielfach schlimmer sind als das ursprüngliche Leiden.
Und manchmal sind es – wie man aktuell in der ZEIT lesen kann – schlicht Verwechslungen oder Vertrotteltheit des Personals, wenn am Ende Patienten die Klinik schwer geschädigt oder im Leichenwagen verlassen.1
Nach Expertenschätzung führen in Deutschland jedes Jahr 40-50 Narkosefehler zum Tod. Die Dunkelziffer dürfte allerdings höher liegen.
Jede Narkose ist per se ein riskantes Unterfangen. Die Anästhesisten sind freilich gut ausgebildet und weisen genug Routine auf, so daß – wenigstens was die Narkose betrifft – jährlich Millionen Patienten ihre Operation unbeschadet überstehen. Dennoch kommt es immer wieder zu dramatischen Zwischenfällen.
Fachleute rechnen mit jährlich 40-50 Todesfällen, die auf Narkosefehler zurückzuführen sind. Wie eine Untersuchung des Anästhesisten Volker Wenzel und seines Kollegen Holger Herff von der Medizinischen Universität Innsbruck zeigt, wurden in 10% der Fälle die Patienten irrtümlich mit Lachgas statt mit Sauerstoff beatmet.2 Wie es soweit kommen kann?
Mal hatten Techniker im Keller des Krankenhauses die Lachgastanks versehentlich an die Sauerstoffversorgung gestöpselt, ein anderes Mal hatte jemand den Überblick im Schlauchgewirr einer Herz-Lungen-Maschine verloren oder ein Narkosegerät nach der Wartung falsch zusammengeschraubt.
Es sind also haarsträubende Pannen, die schlichte Verwechslung von Schläuchen, die am Ende zum Tod von Patienten führen. Irritierend ist aber, daß es zu diesen Fällen offenbar keine offiziellen Erhebungen und fachlichen Studien gibt. Volker Wenzel wußte aus seiner Arbeit von solchen Unfällen und war verwundert, daß er nur vereinzelt in Tageszeitungen davon las. Die Dunkelziffer schätzt er allerdings deutlich höher als diese 10% ein, denn eine lernsensitive Fehlerkultur gebe es in der Medizin nicht:
»Die Medizin ist nach wie vor obrigkeitshörig«, sagt der Arzt. »Fehler werden nicht, wie in der Luftfahrt üblich, offen diskutiert. Wir haben hier eine hausgemachte Katastrophe bei Narkosen in geplanten Eingriffen, und wir reden noch nicht mal drüber.«
Über die Tatsache, daß nach Wartungs- oder Reparaturarbeiten an Narkosegeräten kein Sicherheitscheck vorgeschrieben ist, kann man freilich nur fassungslos mit dem Kopf schütteln.
Link:
- Albrecht, Harro: Verhängnisvolle Verwechslung, Die ZEIT, 3.1.2008
- Wissenswerkstatt: Behandlungsfehler, Komplikationen & Infektionen » Die Risiken von Klinikaufenthalten | Werkstattnotiz IIL, 16.12.2007
- Die Abbildung [oben rechts] stammt von User "bjearwicke" bei stock.xchng [↩]
- Zwar ist der medizinische Gebrauch von Distickstoffmonoxid, wie Lachgas korrekt heißt, leicht rückläufig, aber dieses klassische Narkosegas mit seiner schmerzstilllenden Wirkung ist nach wie vor Standard in der Anästhesie. [↩]
3 Gedanken zu „Tödliche Verwechslungen I » Schlamperei bei der Narkose: Anästhesierisiken | Werkstattnotiz LIV“
Gefährliches Anästhesierisiko mit Propofol
Hallo Marc,
es ist schön, dass Sie dieses brisante Thema aufgreifen. Sie haben recht, wenn Sie bei diesem Thema am Ball bleiben, denn leider sind es nicht nur technische Fragen, sondern ja auch die eingesetzten Medikamente, welche für manche Patienten gefährliche Wirkungen haben können. Bei der Propofol-Unverträglichkeit handelt es sich „nur“ um einen kleinen Prozentsatz. Diese „Ausfallerscheinungen“ nimmt man offenbar recht unkritisch in Kauf.
Anbei mein Kommentar zum Beitrag in der „Zeit“:
Propofol wird gerne zur Narkoseeinleitung, oder bei Kurznarkosen benutzt. Das Medikament ist zugelassen und wird relativ sorglos eingesetzt, obwohl zahlreiche Fälle (auch Todesfälle) belegen, wie gefährlich es sein kann. Offenbar gibt es Menschen, welche das Präparat sehr gut vertragen und andere Personen, welche an den Nebenwirkungen schwer leiden müssen, bis hin zum tödlichen Ausgang. Der Arzneimittelkomission ist dies bekannt. Trotzdem scheinen Ärzte hierüber gar nicht, teilweise oder nur unvollständig aufgeklärt zu sein. Auch scheint es keine Tests darüber zu geben, ob eine Person das Medikament verträgt oder nicht.
Näheres unter Google:
Stichwort Propofol-Infusionssyndrom.
Leider finden Sie dort nur Berichte über Zwischenfälle nach längerer Anwendungszeit. Aus eigener Erfahrung reicht aber schon eine 10-minütige Anwendung um drastische Nebenwirkungen auszulösen !!
Leider werden – wie auch in meinem Fall – solche Zwischenfälle nicht der Arzneimittelkomssion gemeldet !
@Monika Armand:
Daß ich solche Sachverhalte – etwa ärztliche Kunstfehler – aufgreife und ergänzend kommentiere, passiert hier in der Wissenswerkstatt ja nicht aus dem Motiv heraus einen Berufsstand in Mißkredit zu bringen. Es geht mir ja v.a. um das Aufzeigen von alltäglichen (Gesundheits-)Risiken und Fehlerquellen, die u.U. weitreichende Folgewirkungen haben.
Denn klar ist: Ärzte sind Menschen und Menschen sind (zum Glück) fehlbar. Irritierend, ärgerlich und kritikwürdig ist nur, daß bspw. in Kliniken keine oder nur unzureichende Lern- und Fehlerkulturen etabliert sind. Denn es gibt a) unvermeidbare Risiken, b) Risikoquellen, die identifiziert und minimiert (!) werden können.
Unerträglich ist es – wie etwa im Fall von „Propofol“ – daß das Wissen über Risikozusammenhänge vorliegt, dies aber nicht ausreichend kommuniziert wird. Propofol ist (das noch zur Erklärung) ein gebräuchliches Anästhetikum, das intravenös zur Kurz- und Langzeitsedierung eingesetzt wird.
Seit 3-4 Jahren gibt es aber einschlägige Studien, die über unerwünschte Nebenwirkungen, die über das übliche Maß hinausgehen, berichten. Das reicht von Krampfanfällen bis zum genannten „Propofol-Infusionssyndrom“, das oftmals mit Nierenversagen einhergeht und teilweise tödlich verläuft.
Und hier ist die Information leider nicht ausreichend, denn mit Vorsicht und Augenmaß angewandt (und nur mit eingeschränkter Indikation), wäre Proposol legitim. Wenn aber das Risikopotential den Ärzten nicht bekannt ist, werden es auch zukünftig mehr Opfer und Geschädigte sein, als notwendig. Denn: man „hätte“ es ja wissen können…