Eine der Berufsgruppen mit dem höchsten Sozialprestige sind die Professoren. Nicht weiter erstaunlich, denn schließlich tut eine Gesellschaft gut daran, ihre universitären Eliten entsprechend ihrer Leistungen zu würdigen. Und wenn man Schlagworte wie "Leistung" und "Elite" liest, dann versteht sich fast von selbst, daß sich dies auch finanziell auswirken muß. Aber falsch gedacht: selbst diejenigen Wissenschaftler, die mit der Professur die höchste Sprosse der Karriereleiter erklommen haben, erhalten keineswegs immer Spitzengehälter…
Noch zu meinen Studienzeiten raunte man sich auf den Universitätsfluren und in Seminarpausen bisweilen zu, daß dieser oder jener Professor oder Oberassistent nun einen Ruf auf eine C3- oder gar C4-Professur erhalten habe. Damals – es ist nur wenige Jahre her – galt noch die traditonelle C-Besoldung. Und wer es auf eine C3- oder (als Lehrstuhlinhaber) auf eine C4-Professur geschafft hatte, konnte sich nicht nur der neidvollen Anerkennung seiner Fachkollegen gewiß sein, sondern wurde auch mit einem kontinuierlichen Anstieg seiner Bezüge belohnt. Alte Ordinarienherrlichkeit. ;-)
Die Reform der Professorenbesoldung stellt Leistung und Exzellenz über die Dienstjahre. Allerdings ist das Grundgehalt häufig mehr als bescheiden…
Nun kann man sicher trefflich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, daß man allein durch sein fortschreitendes Lebensalter gleichzeitig eine höhere Gehaltsstufe erklimmt. Aber das ist bzw. war die Logik, die in Deutschland für Beamtenarbeitsverhältnisse konstitutiv war. Damit ist es – zumindest für die Universitätsbeamten – seit 2005 allerdings vorbei. Damals wurde die C-Besoldung durch die W-Besoldung abgelöst. Die durchaus plausible Begründung: man wolle durch Leistungszulagen besonders engagierte, erfolgreiche oder innovative Wissenschaftler belohnen.
Wie sich die Umstellung von der C- auf die W-Besoldung auswirkt
Man kann dieser Argumentation ihre Logik nicht absprechen. Und wo, wenn nicht im wissenschaftlichen Kontext, sollte Leistung belohnt werden? Ein genauerer Blick auf die praktischen Auswirkungen der neuen Regelung offenbart aber, daß es mit der neuen Besoldungsgerechtigkeit bzw. -herrlichkeit nicht allzu weit her ist.1
Denn das Gehalt unserer Professoren (die nun als Juniorprofessor als W1, danach als W2- oder W3-Professor bezahlt werden) setzt sich inzwischen aus zwei Komponenten zusammen: einerseits gibt es ein Grundgehalt, andererseits sog. "Leistungsbezüge". Das liest sich immer noch tadellos. Allerdings zeigt sich, daß das W-Grundgehalt gegenüber der früheren C-Besoldungsstufen deutlich geringer ausfällt. Und: dieses Grundgehalt beinhaltet keine altersabhängige Progression.
Derzeit finden W1-Professoren demnach 3.405 Euro, W2-Profs 3.890,- und die Superstars der W3-Liga haben 4.723 Euro auf ihrem Gehaltszettel stehen.2 Wenn man einmal von der obersten Klasse (die tatsächlich auch nur eine Minderheit darstellt) absieht, so sind das keine Gehälter, die man als Spitzenverdienst bezeichnen könnte. Wohlgemerkt: wir reden von Personen, die sich in einem jahrelangen Wettbewerb gegen hunderte Mitwerber durchgesetzt haben und sich währenddessen in der Lebensphase zwischen 25-40 Jahren überwiegend von einem befristeten Job zum nächsten Projektvertrag hangeln mußten.
In einem lesenswerten Artikel hat Malte Dahlgrün in der Süddeutschen Zeitung die Problematik skizziert:
Nun ist aber vor allem das Grundgehalt der W2-Professur abwegig niedrig. Man muss sich das einmal vorstellen: Ein W2-Professor mit unaufgestocktem Grundgehalt verdient dasselbe wie ein Realschullehrer mit Mitte, Ende 40 (Besoldungsgruppe A13, Dienstaltersstufe 11). Ein Oberstudienrat gar – ein Gymnasiallehrer, der nach einigen Jahren als Studienrat routinemäßig befördert worden ist – verdient mit Anfang 40 bereits mehr als das W2-Standardgehalt.
Das wäre ja möglicherweise noch zu verkraften, wenn die Leistungsbezüge tatsächlich auch die breite Masse der jungen Hochschullehrer erreichen würden. Dem ist aber, wie man in persönlichen Gesprächen erfahren kann, keineswegs so. Denn die Zulagen werden lediglich in drei Fällen gewährt: 1. aus Anlaß von Bleibe- oder Berufungsverhandlungen, 2. für besondere Leistungen in Forschung und Lehre, 3. im Falle der Übernahme weiterer Funktionen im Rahmen der Hochschulverwaltung (Dekane etc.).
Wer das falsche Fach lehrt und beim Verhandlungspoker nicht talentiert ist, wird als Universitätsprofessor schlechter bezahlt als ein Realschullehrer. Ist das die Realität der Wissensgesellschaft, in der wir leben?
Der springende Punkt ist: diese Zulagen werden natürlich individuell mit der jeweiligen Universität ausgehandelt. Wer hier kein wahnsinniges Verhandlungsgeschick hat und nicht das richtige Fach besetzt, wird kaum mehr als das Grundgehalt rausschlagen. Und ein junger Professor in einem sozial- oder geisteswissenschaftlichen Fach wird kaum innerhalb der ersten Jahre einen Ruf an einer andere Universität erhalten, somit fällt Variante "#1" weg.
Für die Zulagen gemäß "#2" dürfte im Einzelfall die Universität ebenfalls kaum gesprächsbereit sein, wenn es um Fächer geht, deren "Ertrag"3 für die Uni nicht so interessant ist. Und der Nachwuchsprofessor, der sich zusätzliche Arbeit durch die Übernahme von weiteren "Jobs" (siehe "#3") aufhalst, ist wohl ohnehin schlecht beraten, denn diese Ressourcen wären anderweitig besser eingesetzt.
Das Fazit?
Derzeit ist ein Wissenschaftler in Deutschland bei der Erstberufung noch durchschnittlich gut 40 Jahre alt. Bis dahin hat solch ein Wissenschaftler 20 Jahre der Qualifikation und der wissenschaftlichen Weiterentwicklung auf befristeten Stellen hinter sich gebracht. Nimmt man einmal gerade den durchschnittlichen Fall eines Geisteswissenschaftlers in dieser Situation, dann haben wir es mit einem Menschen zu tun, der bislang mit keiner lebensplanerischen Gewissheit außer derjenigen leben konnte, dass etliche seiner Weggenossen am Ende ohne Professur dastehen werden und mit Ende 40 als mehr oder weniger gescheiterte Existenzen stranden.
Dieser Wissenschaftler also hat es schließlich geschafft, aus einer riesengroßen Alterskohorte interessierter und forschungswilliger junger Studenten am Ende als einer der wenigen übrigzubleiben, die eine Professur für sein Fach in Deutschland erlangt haben. Und nachdem er das endlich erreicht hat und mit der Professur seine erste unbefristete Stelle im Leben antritt, darf er feststellen, dass mancher Altersgenosse, der mittelmäßig aber unfallfrei ein Lehramtsstudium mit Referendariat über die Bühne gebracht hat, als Schullehrer bereits mehr verdient als er auf seiner Professur. Ganz zu schweigen davon, dass der Schullehrer seit gut einem Jahrzehnt bereits mehr für seine Altersvorsorge tun konnte.
Dieser Beobachtung ist wenig hinzuzufügen. Das akademische Proletariat reicht bis in die höchsten Etagen… ;-(
Links:
- Dahlgrün, Malte (2008): Ausgezogen bis aufs letzte Hemd, Süddt. Zeitung, 8. Februar 2008
Weiterführende Lektüre zur Hochschulpolitik und wissenschaftlichen Karrierewegen:
- Janson, Kerstin; Schomburg, Harald; Teichler, Ulrich (2008): Wege zur Professur. Waxmann-Verlag.
- v. Wissel, Carsten (2007): Hochschule als Organisationsproblem. Neue Modi universitärer Selbstbeschreibung in Deutschland. transcript-Verlag.
- Pasternack, Peer (2006): Qualität als Hochschulpolitik? Lemmens-Verlag.
- Teichler, Ulrich (2006): Hochschulstrukturen im Umbruch. Eine Bilanz der Reformdynamik seit vier Jahrzehnten. Campus-Verlag.
- Hinweis: Ich bin weit davon entfernt, die W-Professoren ernsthaft zu bedauern. Der akademische Mittelbau hat es nicht besser und von all denjenigen, die im akademischen Betrieb auf der Strecke bleiben, ganz zu schweigen… [↩]
- Das sind übrigens die Westgehälter, in den neuen Bundesländern sind die Gehaltsstufen nochmal um einige hundert Euro niedriger. [↩]
- Also kein technisches oder ingenieurwissenschaftliches Fach, das mit der Einwerbung von Drittmittelmillionen glänzen kann. [↩]
23 Gedanken zu „Existenzrisiko Wissenschaft? » Die neue W-Besoldung stellt Professoren teilweise schlechter als Realschullehrer » Was ist uns akademische Exzellenz wert? | Werkstattnotiz LXIV“
Kurze Anmerkung: Im Titel sollte es doch eigentlich heißen „Die neue W-Besoldung“, oder?
Fairerweise muss man sagen, dass Polizisten und Krankenschwester ein noch höheres Berufsprestige haben als die Professoren (zumindest nach Allensbach). Das spiegelt sich in der Bezahlung auch nicht so richtig wieder.
Was mir außerdem zu denken gibt: Wenn Wissenschaftler ganz weit oben stehen und Journalisten ganz weit unten – welches Prestige haben dann bloggende Wissenschaftler?
@Benedikt:
Danke für den Hinweis. Natürlich muß es im Titel auch W-Besoldung heißen.
Und daß das Berufsprestige kein Kriterium bzgl. der Lukrativität/Bezahlung darstellt ist klar. Ich hatte es mehr oder minder als Aufhänger mißbraucht. Wobei ich dringend dafür plädieren möchte, daß das Pflegepersonal besser entlohnt werden sollte.
Zum Hybrid-Status der bloggenden Wissenschaftler gäbe es so einiges zu sagen. Ich habe übrigens noch einen Blogpost in der Warteschleife, der den Journalismus alter Prägung (=Journalismus 1.0) thematisiert und dort hantiere ich nebenbei auch ein wenig mit den Zahlen zum Berufsprestige (die GfK ermittelt die Werte ja auch immer.)
Bloggende Wissenschaftler? Unterirdisch ;-)
Aber zum Thema: Der beschriebene lange Weg (Zeitverträge etc.) bis zur Erstberufung gilt v.a. für Universitätsprofessoren.
Für Fachhochschulprofessoren stellt sich die Sache aber auch nicht besser dar: Von ihnen wird erwartet, dass sie zunächst einige Jahre erfolgreich in der Praxis tätig waren (und wissenschaftliche Meriten gewonnen haben). Wer in diesem Sinne berufungsfähig ist, ist auf der Karriereleiter schon recht weit gekommen. Die Berufung zum Professor bedeutet dann in der Praxis meist einen massiven Einkommensverlust (W2-Grundgehalt). Um dies noch besser zu machen, haben einige Bundesländer (oder alle?) mit der W-Besoldung die Berufung auf Zeit eingeführt. Ein hochqualifizierter, erfolgreicher Mensch soll also seinen Job in der Wirtschaft aufgeben und das Risiko eingehen, nach zwei Jahren mit einem warmen Händedruck verabschiedet zu werden. Ein enormes Risiko, das immer weniger bereit sind, einzugehen. Schon seit längerem tun sich viele Fächer schwer, überhaupt genügend passende Bewerber für FH-Professuren zu finden, damit es wenigstens zu einer Dreierliste reicht.
(P.S: Ich hatte Glück und wurde noch zu C-Zeiten berufen)
Na also wenn nach Berufsprestige bezahlt würde, würde Ackermann mit Pappschild in der Fußgängerzone knien…
Irgendwie komm ich mit dieser Trackbacksache nicht ganz klar. Dann eben auf diesem Wege -sorry – brauche wohl mal’n bißchen Nachhilfe in Sachen „Technik für Dummies“ ;-)) Habe heute ebenfalls die „Hochschulpolitik“ im Visier gehabt und Deinen informativen Bericht gleich mit aufgenommen: http://www.scienceblogs.de/neuropaedagogik/2008/02/hochschulpolitik-professor-untat-wissenschaftlerdasein-in-deutschland.php
LG Monika
Wenn ich das so vergleiche: Du hast in Deinem eigenen Text, um die Zitate herum, den SZ-Artikel über weite Strecken sinngemäß oder sogar Wort für Wort wiederholt und das dann als deine eigene Sache ausgegeben. Wenn das nicht dreist ist. Dabei ist der SZ-Artikel tatsächlich ziemlich interessant.
@heiner:
Ich denke, daß die Leser alle auch durchaus in der Lage sind, meinen Text mit dem verlinkten SZ-Artikel zu vergleichen. Und daß hier eine argumentative Nähe gegeben ist, kann nicht wirklich verwundern. Denn schließlich beziehe ich mich ja zustimmend auf den Text von Malte Dahlgrün.
Ansonsten gilt, daß ich alle Zitate (wie stets!) also solche kenntlich mache. Ich habe im obigen Text übrigens nirgendwo den Anspruch besonderer Orginalität erhoben.
Insofern bin ich über die Kritik erstaunt – und nochmals im Bezug auf den erhobenen Plagiatsvorwurf: die ersten 4 Absätze sind allesamt von mir ausgedacht, jeder Punkt, jedes Komma. Und auch nicht annähernd finden sich diese Absätze bei der SZ. Und die restlichen 2-3 Absätze, nun ja, da beschreibe ich in eigenen Worten die Logik der W-Besoldung… das ist dann auch nicht weiter verwunderlich, wenn das teilweise ähnlich beim Kollegen zu lesen war.
Recht übereinstimmend findet man diese Passagen übrigens auch hier beim Hochschullehrerverband:
oder hier:
P.S.: Ich finde nicht dreist, aber befremdlich, wenn man kommentiert, aber keine korrekte Mailadresse angibt. Immerhin 99% meiner Kommentatoren stehen auch per Mail zu ihren Comments…
Mache sich jeder selbst ein Bild davon.
Was ist da neu dran? Seit 2005! Das wurde vorher diskutiert und weder der Hochschullehrerbund noch der Deutsche Hochschulverband oder andere haben sich sonderlich gewehrt.
@Monika:
Die Tatsache, daß bspw. in meinem Blog keine Trackbacks von Euch Sciencebloggern angezeigt werden, liegt nicht an einem technischen Unvermögen eurerseits. Ich hatte ja u.a. hier mein Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, daß diese wesentliche Funktion nicht integriert ist.
Ich habe mir aber inzwischen sagen lassen, daß man daran arbeitet, dieses Problem zu beheben…
@Tim:
Richtig: Die Einführung der W-Besoldung datiert vom Jahr 2005. Allerdings galt bis dahin weit über 30 Jahre lang die C-Besoldung und insofern ist (akademische Mühlen mahlen auch langsam) es doch eine Neuerung. Zumal Berufungsverfahren viele Monate (oder Jahre) in Anspruch nehmen und insofern erst seit 1-2 Jahren die ersten Professuren nach dem neuen Besoldungssystem vergütet werden.
Und dann ist es schlicht so, daß eine solche Neuregelung erst eine gewisse „Erprobungsphase“ benötigt, um ihre Auswirkungen beurteilen zu können. Es ist ja nicht so, daß jeden Tag ein neuer Professor auf nen Lehrstuhl gehievt würde. Es braucht einfach 1-2 Jahre bis genügend Personen unter diesen geänderten Rahmenbedingungen ihre akademische Karriere auf höchster Ebene starten… und insofern haben erst in jüngerer Zeit manche (Jung-)Profs die Erfahrung gemacht, daß sie finanziell nicht sehr gut gestellt sind.
Übrigens: Die Tatsache, daß eine Reform im Vorfeld mit den verschiedenen Lobbygruppen diskutiert wurde, heißt doch bitte nicht, daß man im Nachhinein keine Defizite mehr bemängeln darf!
Erfahrungen sammeln… Die Tabellen standen fest. Nicht umsonst hat es vor Einführung der W-Besoldung noch bei uns einen Run auf C-Stellen gegeben. Weil jedem klar war, dass mit den W-Stellen es schwer sein wird, gute Leute zu bekommen. Wir in der Medizin haben noch ein grösseres Problem. Ein W-Professor verdient weniger als ein Oberarzt. Das Interesse der habilitierten Oberärzte eine Professur zu ergattern hält sich in Grenzen, da auch die Privatliquidation nicht mehr das ist, was es mal war. Ein grosser Teil der Einnahmen aus Privatpatienten muss an die Klinik gehen und wird unter den Mitarbeitern verteilt. Das sieht dann so aus:
Das bisherige Liquidationsrecht wird durch eine leistungsgerechte Vergütung mit festen und variablen Bestandteilen ersetzt. Vorbei mit der Chefarzt-Herrlichkeit.
@Tim:
Sicher, „die Tabellen standen fest“ – diejenigen, die aber 2007 eine Professur erhielten, feststellten, daß es finanziell nicht berauschend ist, hätten diejenigen 2004 groß reklamieren sollen? Damals hatten die ja auch was anderes zu tun, habilitieren zum Beispiel. ;-)
Außerdem ist es ja unbestritten, daß die nackten Zahlen bekannt waren. Aber ob es dann in der Praxis leicht sein würde zum Grundgehalt noch Zulagen auszuhandeln, kann man vorher nicht wissen. Und insofern liegen die Erfahrungswerte einer größeren Zahl von „Betroffenen“ erst seit jüngerer Zeit vor.
Danke noch für den Einblick in die besondere Problematik in der Medizin. Klingt ja alles andere als beruhigend, wenn fortan nur noch die „zweite Liga“ überhaupt an den Prof-Stellen interessiert ist. Oder: wir müssen darauf setzen, daß es genügend idealistische Geister gibt, denen es auf ein paar tausend Euro nicht ankommt, wenn sie der akademische Ruf (und die Ehre) ereilt. ;-)
Ich denke mal nicht, dass bzgl. Honorierung der Jung-Professoren das zu honorierende Klientel die Chance hatte an der Entscheidung ihrer Gehaltsstrukturen mitzuarbeiten ??
Außerdem hat der wissenschaftliche Nachwuchs indirekt längst eine „Antwort“ auf seine Vernachlässigung gegeben, indem viele abgewandert sind und nun sehnsüchtig gen Heimat schielen (müssen): http://www.zukunft-wissenschaft.de/
Da die Auswanderungsmöglichkeiten hauptsächlich nur für Naturwissenschaftler gegeben sind, muss man sich echte Sorgen um die Zukunft der Geistes- und Sozialwissenschaften machen. Dies um so mehr, als mit dem Neurohype die Naturwissenschaften im Wettbewerb um Forschungs- und andere Gelder die Geistes- und Sozialwissenschaften in den Hintergrund drängen.
Zulagen im Öffentlichen Dienst aushandeln? Selten so gelacht.
@Tim:
Werden die sog. Funktionszulagen (von nichts anderem reden wir) Deiner Meinung nach ausgewürfelt oder nach den Mondphasen bemessen?
Die Tatsache, daß man abhängig vom jeweiligen Fach und anderen Bedingungen teilweise keine gute Verhandlungsposition hat, ist ja unbestritten. Und genau darauf habe ich im Beitrag ja auch abgestellt, daß einige Nachwuchsprofessoren eben keine oder nur minimale Zulagen aushandeln. Aber prinzipiell ist es ja doch so, daß verhandelt wird.
Dazu müsste der Verhandlungspartner erstmal einen Verhandlungsspielraum haben. Klar gibt es Spitzenkräfte, die Forderungen stellen können. Die gab es schon bei C4. Solche Verhandlungen gleichen in der Regel eher der Vergabe von Almosen. Ist auch Abhängig von den Fächern und den Zielen der Hochschule. Eine Hochschule muss sich heutzutage vermarkten. Unique Selling Points suchen, Schwerpunkte haben, interessante Studiengänge anbieten, Bezahl-Studenten (MBA, Ergänzungsstudiengang, usw,) an sich binden, Kontakte zu ausländischen Unis halten, und viel mehr. Elite-Unis, die über die Forschung sich profilieren gibt es nur eine Handvoll. Der Rest muss anders Interesse und öffentliche Aufmerksamkeit wecken. Mal die Junior-Professoren raus gelassen – Wenn ein neuer Professor z.B. Industrie-Kontakte oder ausbaufähige Kontakte zu einer ausländischen Uni mitbringt, die am Ende Geld einspielen, gibt es was zu verhandeln. Er muss auch ein Konzept zur „Monitarisierung“ haben. Der Professor muss also seine Zulagen quasi selber erwirtschaften. Man kann sich vorstellen, dass wissenschaftliche Ansprüche oder Qualität der Lehre oftmals keine so grosse Rolle spielen.
Hallo Marc,
was ist uns akademische Exzellenz wert? Ich halte eine Bezahlung wie bei einem Realschullehrer für angemessen, und überhaupt kann man die „20 Jahre der Qualifikation“ von denen Du sprichst, auch aus einer etwas anderen Perspektive betrachten: Nehmen wir mal 7 Jahre Studium raus, dann bleiben 13 Jahre in befristeten Verträgen. Das ist nicht schön und stört die Lebensplanung – ich verstehe das Klagen. Aber die 13 Jahre sind auch eine Zeit, die zum überwiegenden Teil für die persönliche Qualifikation genutzt werden kann (Promotion, Habilitation). Das ist, beispielsweise im Vergleich zu einer Meister-Ausbildung im Handwerk, eine ausgesprochen privilegierte Situation. Wer sonst wird für eine 13 Jahre dauernde Qualifizierungsphase (die Liste der Veröffentlichungen wird ja hoffentlich länger und länger…) auch noch bezahlt? Der angehende Handwerksmeister, den ich zum Vergleich aus dem Hut ziehe, muss nämlich (überwiegend) als Geselle arbeiten, um das Geld für die Meisterschule zu verdienen, die er am Wochenende, am Abend oder während eines – selbstredend unbezahlten – Urlaubs besucht.
Schlagen wir doch jetzt noch mal den Bogen zum Realschullehrer: Der steht ab Ende 20 in der Verantwortung für Schüler, muss sie disziplinieren und lehren und hat nur geringe Möglichkeiten, sich während der Arbeitszeit bedeutend weiter zu qualifizieren und den Inhalt seiner Arbeit in einem so weiten Rahmen selbst zu bestimmen, wie es einem Hochschullehrer möglich ist. Ob der Realschullehrer so viel verdienen sollte wie der Hochschullehrer? Und ob! Er leistet unter schwierigeren Bedingungen mehr und für die Allgemeinheit wichtigeres.
Nochmal zum Begriff der „akademischen Exzellenz“. Wie sinnvoll ist dieser Begriff, wenn in manchen Fällen gerade nicht die qualifiziertesten, leistungsbereitesten und flexibelsten Absolventen in der universitären Tretmühle mit den befristeten Jobs bleiben, sondern diejenigen, die sich so lange im Radius ihrer Sonnenkönige, der Doktorväter etc., aufhalten, bis irgendwo ein Licht am Ende des Tunnels in Form einer unbefristeten Stelle auftaucht? Klar, man kann nicht alle über einen Kamm… Aber jeder kennt doch irgendjemanden, der mindestens die Hälfte seiner Zeit an der Uni vorm Rechner hängt und sein Weblog pflegt und bei heise surft. Und das im Zweifel für BAT II (das heißt wohl jetzt anders…). Unter solchen Bedingungen lässt sich zur Not und pro forma der promovierte Biologe auch ganz gerne mal auf die Planstelle eines System-Administrators schieben, nur um am Hofe zu bleiben und das zu sein, wozu er seit Jahren Sitzfleisch zeigt, statt sich „da draußen“ eine vernünftige Stelle zu suchen, nämlich: versorgt.
Ich weiß, ich polemisiere. Aber für die Jammerei habe ich kein Verständnis. „Akademische Exzellenz“, wenn ich sowas schon höre… Ein Widerspruch in sich. Die Besseren sind draußen,
meint provozierend, doch gleichwohl freundlich grüßend
HG
@Tim:
Ja, sehe ich genau so. Danke für die Erläuterungen und Beispiele für das, was ich oben verkürzt nur unter „schwacher Verhandlungsposition“ angemerkt hatte.
@HG:
Oh, besten Dank für diesen zugespitzten Standpunkt: über manche Punkte kann man (meiner Ansicht nach) wirklich diskutieren. Denn ob nun die Arbeit der Krankenschwester, der Lehrerin oder des eitlen Juraprofs „wichtiger“ ist, welche den größten Nutzen für die Gesellschaft (und dann für welche Teilbereiche!) abwirft, darüber könnte man trefflich streiten.
Ich gehöre übrigens nicht zu den Zeitgenossen, die (wie weiland unser Altkanzler) Lehrer als „faule Säcke“ bezeichnen. ;-)
Allerdings hinkt die Argumentation, daß es kein Grund zum Jammern sei, wenn man als Hochschullehrer mit Mitte 40 dasselbe Gehalt bekommt, wie ein Realschullehrer. Weshalb? Es gibt m.E. drei gravierende Unterschiede:
1. Ist die Qualifizierungsphase aufwärts des Diploms oder Magister (künftig Master) keineswegs in allen Fällen so komfortabel! Es hängt natürlich von den jeweiligen Disziplinen ab, aber wir dürfen davon ausgehen, daß wir in der Altersklasse von Ende 20 bis 40 eine große Zahl an prekären Beschäftigungsverhältnissen bei Nachwuchswissenschaftlern haben. Soll heißen: befristeter Job in der Uni wird von einer Phase Arbeitslosigkeit abgelöst, dann ergibt sich zufällig ein Projektjob (1/2 Stelle), das Projekt läuft nach 2 Jahren aus, danach wieder Jobsuche, notgedrungen Ortswechsel, um wieder eine befristete (!) Teilzeitstelle anzunehmen, ebenfalls mit Unsicherheit etc.
Im Ergebnis muten wir vielen engagierten und fähigen Wissenschaftlern zu, daß sie über 10-12 Jahre hinweg keinerlei (!) Planungssicherheit haben. Da halte ich den Status des verbeamteten Realschullehrers mit seinen 34 Jahren doch für komfortabler. Der gleichaltrige Forscher hat noch mind. 5-10 Jahre Hoffen und Bangen vor sich. ;-(
2. Mit dem Beginn seines Referendariats erhält der Lehramtsanwärter ein sicheres Gehalt, das ab dem Eintritt in den regulären Schuldienst ein sicheres Auskommen ermöglicht und auch Rücklagen und eine private Altersvorsorge zulässt. All das ist für den künftigen Prof undenkbar.
3. Im Gegenzug zum Lehramt hat der hoffende Wissenschaftler nichts außer seine Hoffnung, daß es am Ende für ihn zum ersehnten Professorenamt reicht. Denn die Mehrzahl der Aspiranten bleibt ja auf der Strecke. Wir reden also ohnehin von den wenigen Glücklichen, die es geschafft haben. Insofern müßte das Gehalt auch soviel Anreiz und einen materiellen Bonus bieten, um überhaupt dieses irrsinnige Rennen (mit großer Mißerfolgswahrscheinlichkeit) anzutreten.
Tja, alles in allem, denke ich die Verhältnismäßigkeit ist nicht gegeben…
@HG
„Die Besseren sind draußen“ ist doch schon der Beweis dafür, dass Marc (oder Malte von der SZ) mit seiner Einschätzung recht hat. Die Bedingungen sind zu miserabel um die „Besten“ zu reizen. Denn wenn man schon über zehn Jahren Unsicherheit ins Auge blicken muss, dann sollte am Ende auch ein Posten herausspringen bei dem man ähnlich viel verdient wie „draußen“. Sonst werden unsere „Exzellenzen“ in Zukunft tatsächlich nur noch von der zweiten oder dritten Garde gestellt.
Und ich verstehe nicht ganz was an der 13-jährigen „Qualifizierungsphase“ während der man für eine halbe Stelle 10+ Stunden/Tag (gerne auch am Wochenende) arbeiten darf so toll sein soll??!? Im selben Zeitraum arbeiten die Lehrer für eine ganze Stelle nur den halben Tag. Und die Ausbildung von Studenten dient ja immerhin auch der Allgemeinheit. Und wenn es dann nichts wird mit der festen Stelle hilft einem die Qualifikation auch nicht weiter, während der Meister deutlich besser gestellt is als der Geselle. Und das ist nämlich genau der Punkt: Es muss sich in irgendeiner Weise lohnen. Und im Moment lohnt es sich eben nicht.
(Noch) „drin“,
DerOli
Was für ein Trauerspiel… Ich setze mich gerade das 1. Mal mit der Möglichkeit einer wissenschaftlichen Laufbahn auseinander, und bin entsetzt.
Wo bleibt die Förderung der Eliten??
Schlägt angesichts all dieser Hindernisse, Unsicherheiten, Finanzprobleme und düsteren Zukunftsaussichten ernsthaft noch jemand diesen Weg ein?
Ich weiß noch nicht mal, ob ich angesichts solch trüber Aussichten überhaupt promovieren sollte; das bringt einem außerhalb von der Uni ja wenig. :o(
Nicht nur das Spiel gestern war eine Enttäuschung über Deutschland.
Die W-Besoldung hat eine reihe kontroverser Diskussionen ausgelöst. Während in der (publizierten) Öffentlichkeit Krisenszenarien aufrechterhalten werden (Ende der Freiheit von Forschung und Lehre, Ökonomisierung der Wissenschaft etc) finden die W-Professoren (was bleibt ihnen auch anderes übrig die C-Besoldung gibt es nicht mehr) es durchaus lukrativ ohne sich einen Ruf zu besorgen, möglicherweise mehr Geld zu bekommen. Gleichzeitig werden die Funktionszulagen gelobt. Kritisert wird das Grundgehalt und die schwächere Postition der Erstberufenen.
Näheres zur W-Besoldung gibt es unter http://www.w-besoldung.net/
Einige wenige Forschungsergebnisse zur W-Besoldung sind auf http://forschung.w-besoldung.net/ verfügbar.