Die Wissenschaft und die Blogosphäre » Liebesheirat oder Zweckgemeinschaft? Annäherungen an eine fruchtbare Liaison

Wissenschaft ist ihrem Wesen nach Kommunikation. Die Forschungsarbeit in den Laboratorien und Studierstuben, all die Experimente und Versuchsanordnungen wären sinnlos, wären sie nicht eingebettet in den Diskurs der »Scientific community«. Was geforscht, wie geforscht wird und welche Ergebnisse die wissenschaftlichen Bemühungen hervorbringen: darüber muß fortwährend kommuniziert werden. Und selbstverständlich verfügt das moderne Wissenschaftssystem über eine funktionale und erprobte Kommunikations-Infrastruktur. Wissenschaftliche Blogs zählen – mit wenigen Ausnahmen – bislang nicht dazu.

Ist die Zurückhaltung der Wissenschaft gegenüber den Möglichkeiten des Web 2.0 verständlich? Tut sie vielleicht sogar gut daran, den Bloghype zu ignorieren? Oder hat sie nur noch nicht begriffen, welche Chancen wissenschaftliche Blogs darstellen? Wie sieht sie aus, die Wissenschaftskommunikation 2.0?

Muß die Wissenschaft sich überhaupt für Blogs interessieren? Hat die Wissenschaft nicht andere Aufgaben?

Der Wissenschaft vorzuwerfen, sie befinde sich im Hinblick auf die Mediennutzung nicht auf der Höhe der Zeit, ist nicht schwer. Es gibt auch im Jahr 2008 noch dutzende Instituts-Webseiten, die den spröden Charme der frühen 90er Jahre versprühen. Und davon, daß man die bereitgestellten Inhalte regelmäßig aktualisieren sollte, hat man an vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen auch noch nichts gehört.

Aber wer sich – wenig originell – über die verstaubten Webauftritte mancher Universitäten lustig macht, verkennt, daß eine schicke Homepage zwar wünschenswert sein mag, von wissenschaftlicher Relevanz ist der Internetauftritt (zunächst) aber nicht.1

Weshalb also sollte Wissenschaft sich ausgerechnet des Mediums „Weblog“ annehmen? Welcher Nutzen, welcher Mehrwert für die Wissenschaftskommunikation sind durch die Nutzung von Blogs überhaupt denkbar? Was zeichnet wissenschaftliche Blogs aus? Wo und wie wird gebloggt? Und ist es – wenn Blogs und Wissenschaft eine Verbindung eingehen – eine Liebesheirat oder ein Zweckbündnis? Und nicht zuletzt stellt sich die Frage: Wer profitiert? Profitieren die Blogs von der Wissenschaft2 oder die Wissenschaft von den Blogs? Oder kurz: wozu soll das alles gut sein?

Wissenschaft goes Web 2.0 – Annäherungen an ein ungleiches Paar

Wer zu der bislang exklusiven Minderheit bloggender Wissenschaftler zählt, der kennt die üblichen Reaktionen, sobald man unbedacht ausplaudert, daß man einen Blog mit Inhalten befülle. Und wenn man dann noch erwähnt, die Blogartikel hätten einen wissenschaftlichen Bezug, dann kann man sicher sein, daß die Zuhörer schlagartig die Stirn in Falten legen.

Weshalb sollten wissenschaftliche Themen ausgerechnet innerhalb der schlecht beleumundeten Blogosphäre behandelt werden? Das Feuilleton ist sich einig: Blogs sind »eine Bühne für das geistige Prekariat«. – Sollte die Wissenschaft nicht besser auf Distanz gehen, um sich nicht zu beschädigen?

Wobei das Stirnrunzeln zwei verschiedene Ursache haben kann: denn entweder hat der Gesprächspartner das Wort »Blog« noch nie zuvor gehört oder aber er gehört zur Fraktion derjenigen, denen Begriffe wie Web 2.0 und Blogosphäre durchaus geläufig sind – aber als gewissenhafter Feuilletonleser weiß das Gegenüber natürlich nur zu gut, daß man in Blogs bestenfalls seichtes Alltagsgewäsch und eitle Selbstdarstellungen, schlimmerenfalls menschenverachtende Parolen findet. Niveau – soviel steht für den FAZ- oder SZ-Leser fest – ist anderswo.

Wenn man dann beginnt, sich zu verteidigen und gar versucht ein Plädoyer für wissenschaftliche Blogs anzustimmen, hat man es nicht leicht. Denn weshalb zum Teufel, sollten wissenschaftliche Themen ausgerechnet innerhalb dieser denkbar schlecht beleumundeten Blogosphäre behandelt werden? Sollte man sich als Wissenschaftler nicht besser fernhalten, um sich selbst und seine Profession nicht zu beschädigen? Denn haben die journalistischen Kommentatoren nicht Recht, wenn sie auf all die unerfreulichen Aspekte des Mitmach-Web hinweisen? So wie Wolf Lotter, der letztes Jahr schrieb:

„Blogs […] sind mittlerweile der Tummelplatz anonymer Heckenschützen.“
Wolf Lotter,  „Anonyme Hetzer und Spinner„, Die Welt, 30.5.2007

Ist die Beobachtung von Alan Posener (seines Zeichens Kommentarchef der „Welt am Sonntag“) etwa von der Hand zu weisen?

„Aber auch dort, wo die Blogosphäre nicht benutzt wird, um eine Kampagne zu führen, ist sie ein Ort der verlorenen Beißhemmung. […] Die Utopie: ein Raum des herrschaftsfreien Diskurses, in dem endlich der Gegensatz zwischen Sender und Empfänger, Produzent und Konsument, oben und unten aufgehoben ist. Die Realität: eine Bühne für das geistige Prekariat.“
Alan Posener, „Querulanten aller Lager, vereinigt euch!„, Die Welt, 27. Januar 2008

Man hat sich also auf Gegenwind einzustellen, wenn man zu begründen versucht, daß ausgerechnet die Wissenschaft im Blogumfeld gut aufgehoben sein soll.  Mit welchen Argumenten soll man kontern, nachdem der Journalismus permanent ein wenig erfreuliches Bild der Blogosphäre beschwört, die wenig anderes als ein „Debattierklub von Anonymen, Ahnungslosen und Denunzianten“3 sei?

Wer also dafür plädiert, die Wissenschaft solle Blogs entdecken, ausprobieren und nutzen, der sollte gute Argumente bereithalten. Denn wenn man die Blogosphäre nur aus den Kommentarspalten der Zeitungen kennt, dann möchte man der Wissenschaft vermutlich raten, sich dieser Sphäre möglichst fernzuhalten… denn die „Klowände des Internets“4 sind ja vielleicht wirklich nicht der richtige Ort, um den wissenschaftlichen Diskurs auszutragen.

Die Hartnäckigkeit journalistischer Vorurteile 

Schluß mit den Pauschalurteilen: Blogs sind ein neutrales Kommunikationsmedium. Wie es genutzt wird, welche Inhalte plaziert werden, ist keineswegs durch das Format vorgegeben…

Wer sich freilich etwas eingehender mit den Möglichkeiten und der Logik des Web 2.0 befasst, der wird vermutlich schnell merken, daß die Kritik an der vermeintlichen Verderbtheit und Niveaulosigkeit der Blogs und ihrer Leser vor allem eines ist: nämlich pauschal und unzutreffend. Denn natürlich findet man auch innerhalb von Blogs unsägliche dumme Artikel – doch stellt jemand ernsthaft das Medium Fernsehen in Frage, nur weil es Sender wie „9live“ gibt?

Hat einer der sog. Qualitätsjournalisten jemals einen Bahnhofskiosk besucht? Falls nein, dann lieber Herr Graff, liebe Herren Posener und Lotter, lassen Sie es sich gesagt sein: ein kurzer Blick in das bunte Kiosksortiment lehrt, daß bedrucktes Papier sich vorzüglich für verquere Gedanken und Schund eignet. Es ist – und ich sage es zum letzten Mal – nicht das Medium, das Inhalte  präformiert. Es sind immer noch die Autoren, die dafür verantwortlich sind, ob interessante Gedanken oder seichter Trash zu lesen ist. Punkt.

Jenseits journalistischer Betriebsblindheit: Was leisten Blogs wirklich

Blogs sind – deswegen die Erläuterungen der letzten Absätze – also keineswegs naturwüchsig auf Katzencontent oder IT-Tratsch abonniert. Eine übliche Definition von Weblogs liest sich deshalb auch folgendermaßen:

„Weblogs (oder kurz Blogs) sind regelmäßig aktualisierte Webseiten, die bestimmte Inhalte in umgekehrt chronologischer Reihenfolge darstellen und üblicherweise durch Verweise und Kommentare untereinander sowie mit anderen Online-Quellen verbunden sind.“5

Entscheidend an dieser Beschreibung ist m.E. zunächst, daß hier von „bestimmten Inhalten“ die Rede ist. Und diese können zweifelsfrei wissenschaftlicher Natur sein. Der zweite Aspekt betrifft den Hinweis, daß Blogs „durch Verweise und Kommentare untereinander sowie mit anderen Online-Quellen verbunden sind“ – klingt das nicht verlockend nach einem Instrument, das eben auch wissenschaftliche Diskussionen abbilden und transparent machen könnte?

Halten wir also fest: Blogs sind zunächst nur ein Kommunikationsinstrument, das die Infrastruktur liefert, um Diskussionsverläufe transparent zu machen. Durch Blogs könnte der Kommunikationsfluß – im Idealfall – sichtbar und lebendiger werden.

Im Einzelnen zeichnen sich Blogs also durch folgende drei Aspekte aus:

  1. Die Blogosphäre ist verteilte Kommunikation [Informationsaspekt]: durch Trackbacks und Pings, durch Kommentare und Verlinkungen entsteht ein Informations- und Diskursnetz. Entspricht diese Eigenschaft nicht in verblüffender Weise den Gepflogenheiten des Wissenschaftsbetriebs, wo Publikationen, Repliken, Kommentare und Kritik aneinander ankoppeln und auf diese Weise den wissenschaftlichen Diskurs bilden?
  2. Bloggen macht sichtbar [Identitätsaspekt]: jedem Autor und Blogger steht es frei, wieviel er in seinem Blog über sich verrät. Aber klar ist, daß die Texte, Anmerkungen und Thesen wahrgenommen und dem jeweiligen Blogger/Wissenschaftler zugerechnet werden. Wer bloggt, wird also ein bestimmtes „Profil“ von sich aufbauen und sich sukzessive eine wissenschaftliche Blogidentität zulegen.6
  3. Blogs sind „Mensch-Verbindungsmaschinen“7: [Beziehungsaspekt]: Blogger sind Menschen und verweisen auf andere Blogs, hinter denen wiederum Menschen stehen. Das ist banal, verweist aber auf die Tatsache, daß es bei Blogs nicht nur um die Verknüpfung von Informationen und Wissen geht, sondern ebenso um die Verknüpfung und soziale Vernetzung von Personen. Jeder Blogger – zumal wenn er sich wissenschaftlich äußert – wird schnell merken, daß es thematische Überschneidungen zu anderen Bloggern oder zumindest Kommentatoren gibt. Hier bieten sich wertvolle Anknüpfungspunkte für fachlichen Austausch und weiterführende Zusammenarbeit.8

Diese drei Punkte sind charakteristisch für „Soziale Netzwerke“, wozu Blogs ja zu zählen sind.  Medienwissenschaftler bezeichnen die oben skizzierten Elemente übrigens als webbasiertes „Informations- , Identitäts- und Beziehungsmanagement“.9

Die Blogosphäre ist ein Kommunikations- und Kooperationsnetz. Versteht es sich nicht von selbst, daß auch Wissenschaft(ler) davon profitieren könnten?

Wenn also Blogs die Infrastruktur bieten, um einerseits Informations- und Diskurszusammenhänge darzustellen, andererseits die beteiligten Akteure sich untereinander vernetzen können, wieso sollte die Wissenschaft also ausgerechnet dieses elegante Kommunikations- und Kooperationsinstrumentarium nicht nutzen?

Welche Vorteile wissenschaftliche Blogs konkret bieten, wie sich Wissenschaftskommunikation dadurch verändern könnte und welche unterschiedlichen Wissenschaftsblogs es gibt – das alles wird innerhalb eines weiteren Beitrags diskutiert.

 


Hinweis:

Dieser Artikel entspricht in weiten Teilen dem Vortrag, den ich vergangenen Samstag auf Einladung des Verlags „Spektrum der Wissenschaft“ gehalten habe. Das Heidelberger Team hat ja mit den „SciLogs“ zwischenzeitlich eine beachtliche Wissenschaftsblog-Community auf die Beine gestellt und hatte seine Blogger zu einem spannenden Diskussions- und Kennenlernwochenende eingeladen. [Eine erste Bildergalerie findet man hier.]

 

 


 

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  1. Denn erstens findet die wesentliche Arbeit, also die Forschungs- und Lehrtätigkeit, ziemlich unabhängig davon statt, ob der Instituts-Webmaster viel oder wenig Zeit in die Pflege des Webauftritts investiert. Und zweitens verfügt die Wissenschaft zweifelsfrei über ein durchaus leistungsfähiges Publikations- und Kommunikationssystem, das vorrangig über die etablierten Journals (mit Peer-Review) abläuft. []
  2. Quasi als Qualitätsfeigenblatt, das dann bei der nächsten Journalismus-Blog-Debatte als Argument bemüht werden kann; nach dem Motto: „Seht her, es gibt auch wissenschaftliche Blogs. Es gibt also nicht nur Müll…“ []
  3. So schimpfte und polemisierte im Dezember Bernd Graff. In: „Die neuen Idiotae„, Süddeutsche Zeitung, 7.12.2007 []
  4. So zeterte bekanntlich Jean-Remy von Matt im Januar 2006 []
  5. in: Schmidt et. al. (2005): Erkundungen von Weblog-Nutzungen. Anmerkungen zum Stand der Forschung. in: kommunikation@gesellschaft, Jg. 6. []
  6. Mit allen Vorteilen und Risiken. ;-) []
  7. Mit diesem – wie ich finde – treffenden Begriff beschrieb Robert Basic sein Verständnis von Blogs. []
  8. Erst vergangenes Wochenende berichtete der Religionswissenschaftler Michael Blume, daß er über seinen Blog einen kanadischen Kognitionspsychologen kennengelernt habe, mit dem er nun – wenn ich es recht verstanden habe – sogar ein gemeinsames Projekt plant. []
  9. vgl. Schmidt, Jan, 2006, Social Software: Onlinegestütztes Informations-, Identitäts- und Beziehungsmanagement. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Nr. 2. S. 37-46. []

45 Gedanken zu „Die Wissenschaft und die Blogosphäre » Liebesheirat oder Zweckgemeinschaft? Annäherungen an eine fruchtbare Liaison“

  1. Sehr schöner Artikel. Es gibt aber noch andere Hürden, die die Wissenschaft meistern müsste, um ins Web zu kommen. Da ich aus dem technischen Bereich komme, sind für mich Formeln das A und O. Bisher hat sich der Internetstandard MathML aber wegen seiner Unhandlichkeit nicht durchsetzen können, und alle Welt arbeitet weiterhin mit dem nicht zum Internet kompatiblen Latex. Formeln müssten als relativ kompliziert über den Umweg eines Bildes eingebunden werden, und schon wäre die Einfachheit von Blogs als Kommunikationsmedium dahin.

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  2. „Es ist – und ich sage es zum letzten Mal – nicht das Medium, das Inhalte präformiert.“

    Das darfst Du ruhig häufiger sagen, die Blog-Verächter wiederholen sich ja auch ständig mit ihren Vorurteilen. ;-)

    Bevor sich jetzt alle Forschungsinstitute und Einzel-Wissenschaftler berufen fühlen, ein eigenes Blog zu eröffnen, würde ich allerdings anregen, dass sie sich erst einmal die traditionellen Techniken der Kommunikation / Öffentlichkeitsarbeit aneignen. Z.B. lernen, vernünftige Pressemeldungen zu schreiben.

    Antworten
  3. Hallo,

    diese Aussage, im Kontext mit der Realität, ist einer der Gründe warum so viele Menschen sich des Eindruckes nicht erwehren können, Akademiker lebten in einer gänzlich differenten Dimension:

    „Der Beobachter ist die Quelle von allem. Ohne ihn gibt es nichts. Er ist das Fundament des Erkennens, er ist die Basis jeder Aussage über sich selbst, die Welt und den Kosmos. Sein Verschwinden wäre das Ende und das Verschwinden der uns bekannten Welt; es gäbe niemanden mehr, der wahrnehmen, sprechen, beschreiben und erklären könnte.“

    (Humberto R. Maturana, 2001: Die Gewißheit der Ungewißheit)

    Quelle: http://www.scheloske.net/Links_1.htm

    Der ehrenwerte Joseph Weizenbaum wurde es bis zuletzt nicht müde darauf hinzuweisen, dass Wissenschaft nur und einzig dann einen Sinn ergibt, wenn sie integrierter Bestandteil der Gesellschaft ist. Wem ausser sich selbst, sollte sie sonst dienen?

    Wie weit dieser geforderte Prozess fortgeschritten ist, erkennt man sehr gut daran, in welch epischen Ausmaß eben diese Wissenschaft dieser Tage, offen den Verlust eines ihrer größten Denker öffentlich betrauert…

    Gruß

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  4. Und wie immer sind die in den USA weiter als wir. Allerdings selbst da galten Blogs als die Schmuddelkinder der Medien – bis zum Hurrikan Kathrina als mit wenigen Ausnahmen die „herkömmlichen Medien“ mit ihrer zentralisierten Infrastruktur versagten, während Augenzeugen ihre Berichte brühwarm überall dort bloggen konnten, wo es einen Internetanschluss gab.

    Ich hoffe allerdings sehr, dass uns eine derartige Erfahrung erspart bleibt. Es wird noch einige Jahre dauern, dann werden auch Blogs bei uns weithin gesellschaftsfähig sein. Die Leute müssen sich auch ein wenig an diese Art der Kommunikation gewöhnen, wie auch die Debatte bei Scienceblogs von Björn Kröger auf „Tiefes Leben“ zeigt.

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  5. Ein Blick in eine mögliche Zukunft (= Punkt 4 in Deiner Liste, Marc?):
    Blogs können die bestehenden Machtverhältnisse (Seilschaften, Zugang zu wichtigen Journals etc.) in der Wissenschaft unterminieren oder evtl. sogar perspektivisch durcheinanderwirbeln – gleichzeitig sorgen sie für neue Machtverhältnisse: Wer nicht 1:1 kommunizieren und sich selbst „vermarkten“ kann (und das können viele Wissenschaftler nicht), bleibt hier außen vor.

    Das ist trivial. Jedes Medium hat technisch-formale Zugangsvoraussetzungen (die sind bei den Blogs nicht hoch) und Anforderungen an bestimmte (spezifische) kommunikative Fähigkeiten der Menschen, die das Medium „machen“. (Die sind beii Blogs, die gelesen werden wollen, nicht niedrig.)

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  6. Ich denke, bei Wissenschaftlern ist es so ähnlich wie bei Journalisten: Sie verraten ungern, woran sie gerade arbeiten (Angst vor Ideenklau). Auch glaube ich nicht, dass Wissenschaftler andere Wissenschaftler (die sie nicht kennen) bereitwillig unterstützen: Ich hab da ein Problem, kann mir jemand helfen? (das ist Sache geschlossener Forschungsteams). Und viele befürchten, sie müssten in Blogs ständig irgendwelchen neugierigen Nichtexperten ihre Arbeit erklären (d.h. bei Adam und Eva anfangen), ohne selbst von der Bloggerei wissenschaftlich profitieren zu können (Partygeschwätzfaktor).

    Ich könnte mir aber vorstellen, dass skeptische Wissenschaftler die bereits veröffentlichten Studien nach allen Regeln der empirischen Kunst auseinander nehmen und auf Relevanz, Genauigkeit und Stimmigkeit prüfen. Dieser professionelle Ansatz fehlt den Wissenschaftsseiten der etablierten Medien. Dort wird über Studien berichtet, ohne den Gehalt der Studien wirklich prüfen zu können (Heute heißt es: Fett macht dick. Morgen heißt es: Fett macht schlank). Hier hätten Blogs, die von Experten betrieben werden, eine echte Aufgabe.

    Antworten
  7. Ich sehe das (als praktizierender Naturwissenschaftler) ähnlich wie mein Vorschreiber: Die fruchtbare Diskussion gibt es vornehmlich innerhalb der Forschungsgruppe. Unter Fremden diskutiert man leider oft furchtbar oberflächlich und distanziert. Gute Ideen behält man eher für sich aus Angst das Gegenüber schmückt sich mit diesen Lorbeeren.

    Allerdings (!) ist diese Vorsicht in meinen Augen nicht unangebracht, denn gute Ideen sind mein Kapital als Nachwuchswissenschaftler. Nicht zuletzt um Forschungsgelder an Land zu ziehen. Gegen einen etablierter Professor mit großem Arbeitkreis hat man nur eine Chance wenn man einige Tricks für sich behält.

    Objekitv gesehen wird dadurch der Fortschritt gehemmt und zu einem gewissen grad kann man natürlich auch gefahrlos Ideen austauschen. Hier sind Blogs wohl hilfreich, aber ungenutzt, weil schwer zu beurteilen ist, wer nun was geleistet oder „erfunden“ hat. Also der Nachweis, dass oben genannte Forschungsgelder auch in etwas zählbares umgemünzt wurden. Dieser Gedanke mag den Bloggern hier nun etwas reaktionär erscheinen, aber der Arbeitsnachweis muss irgendwie erbracht werden.

    Nun würde ich als Kompromiss vorschlagen ein wenig Blog in das bestehende Peer-review-System einzuführen. Die meisten Journale/Artikel sind ohnehin online zugänglich. Da benötigt man nicht viel Phantasie um sich die Möglichkeit von Kommentaren zu den Artikeln vorzustellen. Denn: Wenn man per eMail bei den Autoren nachfragt kriegt man nur sehr selten überhaupt eine Antwort, geschweige denn Informationen. Mit einer Kommentarfunktion sähe nun jeder, dass der Autor um eine Antwort verlegen ist. Freilich ist in diesem Zusammenhang auch open access wünschenswert.

    Antworten
  8. @ DerOli

    Da scheint sich tatsächlich ein interessanter Gegensatz von Natur- und Geisteswissenschaften abzuzeichnen.

    Einerseits wird Naturwissenschaftlern weithin Verehrung entgegen gebracht, wenn sie Erkenntnisse verständlich der Öffentlichkeit präsentieren. Andererseits besteht die Angst, Forschungsergebnisse vorschnell auszuplappern.

    In den Geisteswissenschaftlern herrscht eher die umgekehrte Situation: Wer öffentlich erfolgreich ist, dem wird (in einer Mischung aus fachlicher Kritik und Neid) „Verflachung“ attestiert. Auf der anderen Seite gibt es aber für Geisteswissenschaftler gar nicht Schöneres, als wenn Befunde von anderen aufgegriffen, zitiert und weiterentwickelt werden.

    In Sachen „Ideenklau“ sehe ich die Gefahr gar nicht so ausgeprägt: denn gerade wenn ich etwas (auch) im Blog veröffentlicht habe, ist dies für jeden per Google & Co. einsehbar. Ein Ideendieb liefe also enorme Gefahr, für jeden erkennbar überführt zu werden. Ich würde sogar wetten, dass Blogs selbst eine Rolle dabei spielen werden, solche Leute wirksam zu entlarven.

    Antworten
  9. Der größte Nachteil des Mediums Internet bei der Veröffentlichung wissenschaftlicher Inhalte ist seine Flüchtigkeit. Es gibt keine Gewähr dafür, dass ich morgen noch finde, was ich heute gelesen habe. Was nutzt korrektes Zitieren, wenn das Zitierte verschwunden ist.
    Die auch morgen noch nachzuverfolgende Entwicklung einer Idee und ihre Geschichte ist doch essentieller Bestandteil der Wissenschaft. Was wäre, wenn Mendel seine Gesetze gebloggt hätte.
    Ohne Printmedien ist Wissenschaft nicht möglich.
    Dem gegenüber wiegt natürlich der Vorteil der Unabhängigkeit. Kein Gutachter prüft, ob alle Regeln der Wissenschaft eingehalten sind und ob die Gedanken auch in den Mainstream passen. Das macht der Mainstream dann schon selbst.
    Das eine tun und das andere nicht lassen!

    Antworten
  10. @ G. Litsche

    Die Flüchtigkeit des Internet??? Wo Amazon Millionen rein steckt, das Internet zu archivieren? (www.archive.org)
    Google cached auch keine Seiten, oder?
    Ein scheinheiliges Argument.

    Natürlich Printmedien sind sehr toll. Besonders wenn man wissenschaftlich aus etwas zitieren will, dass es irgendwo gibt, die einzig auffindbare Originalquelle aber in einer Bibliothek in Amerika steht. Klar, da fliegen Sie mal eben rüber, kostet ja nix.

    Ohne Printmedien wäre Wissenschaft sehr wohl möglich. Aber solange wir in Deutschland ein so tolles Urheberrecht haben, wissenschaftliche Verlage Unsummen für Informationen verlangen, und diese natürlich an die Urheber weiterreichen, ist das natürlich für die an der Wissenschaft beteiligten unattraktiv am Status Quo etwas zu ändern.

    Das Internet ist nicht Fernsehen. Ich glaube kaum, dass sich in wissenschaftlichen Blogs „Mainstream“ tummeln würde. Hier würde sich wissenschaftliche Konkurrenz, je nach Fachbereich auch die entsprechenden Anwender (Ingenieure, Ärzte u.Ä.) als Leser und Kommentatoren einfinden.

    Antworten
  11. Hallo noch mal,

    grundsätzlich lässt sich feststellen das die „moderne“ Wissenschaft (etwas pauschaliert gesprochen) gewisse Probleme hat, die aktuell quasi systembedingt sind. Siehe z.B. Beitrag Nr. 8 von DerOli.

    Diesem Umstand wird aber weder die sog. Bloggosphäre, noch andere Medien abhelfen können.

    Einzig durch die Verknüpfung von netzbasierten Technologien und die Einhaltung von ethisch wie moralischen Grundsätzen, lässt sich eine nachhaltige Produktivitätssteigerung bzw. ein realer Nutzen erreichen. Ein Bsp.:

    Wenn ich wie der o.g. „DerOli“ fürchten muss, dass mir Marktmitbewerber mein Gedankengut stehlen und/oder meine Leistung als die ihre ausgeben, wenn ich ein bestimmtes Kommunikationsmedium nutze, werde ich dies unterlassen. Zzgl. existieren meist auch wirtschaftliche Sachzwänge, die befriedigt werden müssen.

    Kann ich jedoch davon ausgehen, weil es sicher gestellt wurde, dass innerhalb einer bestimmten Gruppe jeder von der Leistung und den Fähigkeiten aller anderen in jeder Hinsicht profitiert, ergeben sich gänzlich neue Möglichkeiten zur Interaktion und hierdurch auch geistigen Innovation.

    Das Netz (also Inter- wie auch WWW) wie es ist, kann dies zwar grundsätzlich leisten, doch die hierzu notwendige Software ist aktuell mehr als mangelhaft. Dies wiederum liegt vor allem daran wer diese Software erstellt.

    Gruß

    Antworten
  12. So, nachdem hier ja eifrig diskutiert wird (Danke!), schalte ich mich auch nochmal kurz ein.

    @Xooyoo | Comment: #1

    „Da ich aus dem technischen Bereich komme, sind für mich Formeln das A und O. Bisher hat sich der Internetstandard MathML aber wegen seiner Unhandlichkeit nicht durchsetzen können, und alle Welt arbeitet weiterhin mit dem nicht zum Internet kompatiblen Latex…

    Da ich als Sozialwissenschaftler nur selten in der Verlegenheit bin mathematische Formeln zu posten, ist mir dieses Defizit noch nie aufgefallen. Und klar, LateX kenne sogar ich – woran liegt es, daß das von Dir erwähnte „MathML“ sich nicht durchsetzt?

    @Michael Kostic | Comment #3:

    Ich verstehe nicht ganz, mit welcher Intention Du das Maturana-Zitat von meiner Website anführst und das – so verstehe ich Dich – als Indiz dafür hernimmst, daß wir Wissenschaftler uns von der „normalen“ Gesellschaft entfernt hätten?

    @Planeten & Stefan Jacobasch: | Comments #2 + #4:

    Daß die Akzeptanz von Blogs hierzulande noch zu wünschen übrig läßt ist ja das eine. Arbeiten wir also daran, es zu ändern. ;-)

    @Carsten Könneker | Comment #6:

    Klar, Du hast sicher Recht, daß Blogs einerseits gewachsene Strukturen „durcheinanderwirbeln“, andererseits sich neue Zugangsbarrieren bilden. Wobei ich allerdings bislang nicht die Gefahr sehe, daß bloggende Wissenschaftler durch ihre vermeintliche kommunikative Kompetenz ihren Fachkollegen den Rang ablaufen – das etablierte System erfordert noch immer bestimmte Fähigkeiten (Du nennst ja die Seilschaften), die im Zweifel immer noch deutlich stärker ins Gewicht fallen, als so ein ominöser Blog. Derzeit ist ja eher noch das Gegenteil der Fall: wer als Wissenschaftler bloggt macht sich verdächtig. Es ist eher Karriererisiko, denn ein Vorteil.

    Antworten
  13. @Michael Blume

    Ich denke man muss in diesem Zusammenhang zwischen „Ideenklau“ und „Ergebnisklau“ differenzieren. Klar kann ich ab einer gewissen Reife Ergebnisse bloggen und die dann für mich beanspruchen (obwohl auch hier wohl technische Manipulationen möglich wären).

    Wenn ich aber eine Idee, also den reinen Gedanken, herausplaudere und dieser von einer Forschungsgruppe verfolgt wird kann diese am Ende zu recht für sich reklamieren es „gemacht“ zu haben. Da ist man schnell abgehängt. Ebenso kann man von schalgkräftigen Gruppen auf „seinem“ Gebiet überholt werden.

    Nun ist es dennoch nicht so, dass wir Naturwissenschaftler alles Angsthasen wären, denn ein wissenschaftlicher Diskurs findet ja doch statt. Man freut sich auch, wenn man zitiert und weiterentwickelt wird. Dennoch glaube ich, dass aus Vorsicht lieber weniger gebloggt wird als zuviel.

    Ein Problem ist sicherlich auch der doppelte Arbeitsaufwand. Im bestehenden System muss ich meinen Journalartikel ja trotzdem schreiben und dazu auch noch bloggen. Da fehlt mir dann doch die Zeit.

    @Xooyoo

    Ich denke, dass die Flüchtigkeit des Internet sehr wohl ein Problem ist. Es garantiert mir niemand, dass Google auch in zehn Jahren meine Ergebnisse noch parat hat. Oder ob ich sie noch finde.

    Was mich zu einem anderen Problem bringt: Die Sichtbarkeit. Findet jeder, der an meiner Forschung interessiert ist in dem Wust an Internetdaten auch meinen Blog? Vor allem Beiträge, die schon in die Jahre gekommen sind? Demnach müssten Blogs ernsthaft moderiert und gepflegt werden. Bislang gibt es übrigens auch noch keine Suchmaschiene, die nach chemischen Strukturformeln sucht. Datenbanken, aller veröffentlichten Peer-Review-Artikel dagegen schon, incl. Struktursuche.

    Ich bleibe bei dem Vorschlag kommentierter Journale. Zumindest als Übergang…

    Antworten
  14. Zum Thema MathML, wird bisher nur von Mozilla Gecko Browsern mit Einschränkungen/ Fehlern dargestellt. Es lässt sich nur über Umwege generieren. OpenOffice generiert z.B. MathML 1.1, aktuell ist glaube ich 3.0. Der Quelltext einer Formel ist unmöglich lang, und unverständlich.

    Die mangelnde Durchsetzung ist vor allem darin zu sehen, dass keiner was ins Internet stellen will. Wenn jemand etwas mathematisches schreibt, dann meisten mit MS Office, dessen Formeleditor aber zu nix kompatibel ist. Oder Latex, nur als Latex entwickelt wurde, hat keiner ans Internet gedacht.

    Zur Flüchtigkeit des Netzes: Ich halte dies noch immer nicht für ein hinderliches Problem, ich glaube fast jedes wissenschaftliche Institut verfügt über das drumherum, wie Webserver, Mailserver, u.Ä. und z.B. eine E-Mail Adresse wechselt man auch möglichst selten. Es ist ja auch nicht so, dass die Preise für Webserver steigen würden, und wenn ich etwas veröffentlichen will, dann kann das auf dem Server auch eine Weile liegen.
    Sicherlich wäre es ein Problem wenn jemand ständig seine online gestellten Artikel editiert. Hier müsste ein „Do not edit“ Kodex Einzug halten. Oder wie in wikis ein Logsystem für den jeweiligen Artikel eingeführt werden.
    Aber das sind meiner Meinung nach keine allzu großen Hürden.

    Sicherlich müsste man die Quellenangaben etwas überdenken, weil so wie sie heute gehandhabt werden sind sie nicht unbedingt mit dem Internet vereinbar. z.B. müsste man aktuell bei korrektem Zitieren Session IDs angeben, wenn irgendwo ein Log-In vorgeschalten ist. Sehr lustig, und wer dann den Link angeklickt bekommt einen Error 403. ;-)

    Das Problem der Sichtbarkeit: Ist mit Printmedien vergleichbar dem Internet. Z.B. gibt es viele Veröffentlichung, aus denen in allgemeinen Werken zitiert wird, auf denen bestimmte Verbände aber so die Hand drauf haben, dass man als Normalbürger nicht herankommt.
    Wenn ich eine Literaturrecherche zu einem bestimmten Thema in einer Bibliothek mache, dann muss ich zwangsläufig einen Haufen Unsinn lesen, der mich nicht interessiert, bloß um herauszufinden, wo denn jetzt was zu meinem Thema drinsteht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich dort etwas übersehe ist größer, als wenn ich das mit Hilfe einer gescheiten Suchtechnolgie suche.
    Die Garantie, dass etwas länger als 10 Jahre im Internet verfügbar ist gibt es nicht, das ist so richtig, und dass man alles was es an Veröffentlichungen gibt mirrored wie es amazon mit Archive.org anfängt ist bestimmt nicht gerade der sinnvollste Weg. Das etablieren eines Onlinebibliothekswesens halte ich auch für wesentlich zu aufwendig, wer soll den Prüfen, was denn relevant ist.
    Die von DerOli genannte Möglichkeit, dass die Verlage der Fachpresse, quasi ihre Artikel in einer Art Blog veröffentlichen ist sicherlich wünschenswert, und würde die Diskussion über abgeschlossene (Teil-)Forschungen sicherlich beleben. Allerdings stellt sich mir da die Frage, wie der Verlag das finanziert, die wollen immerhin Gewinn mit ihrer journalistischen Tätigkeit machen. Fachzeitschriften sind meistens doch verhältnissmäßig teuer. Aber auch wenn die Fachverlage, die Informationen online stellen, hätte ich wieder das Problem mit der Wissenschaftlichen Quellenangabe, wenn es nicht 1:1 in einer Zeitschrift veröffentlicht wird, oder?

    Antworten
  15. @Wolfgang Michal | Comment #7:

    So pessimistisch bin ich gar nicht, was die Bereitschaft zu Kooperation unter (bloggenden) Wissenschaftlern angeht. Ich nehme persönlich mehr und mehr wahr, daß es schlicht eine Charakterfrage ist: es gibt Wissenschaftler, die online und offline sehr „transparent“ agieren, wenig Geheimnisse bzgl. aktueller Projekte machen. Andere verhalten sich, als gelte es mindestens ein Staatsgeheimnis zu bewahren und schließen ihren Laptop vermutlich über die Nacht im Safe ein. ;-)

    Aber Ideenklau ist zugegeben (wie auch „Oli“ betont) ein Thema.

    „Ich könnte mir aber vorstellen, dass skeptische Wissenschaftler die bereits veröffentlichten Studien nach allen Regeln der empirischen Kunst auseinander nehmen und auf Relevanz, Genauigkeit und Stimmigkeit prüfen. Dieser professionelle Ansatz fehlt den Wissenschaftsseiten der etablierten Medien. Dort wird über Studien berichtet, ohne den Gehalt der Studien wirklich prüfen zu können (Heute heißt es: Fett macht dick. Morgen heißt es: Fett macht schlank). Hier hätten Blogs, die von Experten betrieben werden, eine echte Aufgabe.“

    Ja, hier sind wir uns zu 100% einig. Das wäre unbedingt ein Pfund, mit dem Wissenschaftsblogs wuchern könnten. Die Frage ist, ob das Forscher „nebenbei“ erledigen können oder ob sie dafür nicht (in welcher Art auch immer) „honoriert“ werden sollten…

    @Oli | Comment #8:

    Danke für die Skizze der notwendigen Ideen-Ökonomie von „praktizierenden“ Naturwissenschaftlern. Es ist – ich sehe es durchaus ein – eine Gratwanderung: wieviel kann und mag man preisgeben, wann risikiert man als Ideengeber, daß die eigenen vielversprechenden Ansätze von anderen Forscher(n) umgesetzt werden und man selbst in die Röhre kuckt. Das muß wohl jeder für sich herausfinden – zu naiv sollte man nicht sein.

    „Nun würde ich als Kompromiss vorschlagen ein wenig Blog in das bestehende Peer-review-System einzuführen. Die meisten Journale/Artikel sind ohnehin online zugänglich. Da benötigt man nicht viel Phantasie um sich die Möglichkeit von Kommentaren zu den Artikeln vorzustellen. Denn: Wenn man per eMail bei den Autoren nachfragt kriegt man nur sehr selten überhaupt eine Antwort, geschweige denn Informationen. Mit einer Kommentarfunktion sähe nun jeder, dass der Autor um eine Antwort verlegen ist. Freilich ist in diesem Zusammenhang auch open access wünschenswert.

    Hey! Genau das ist ja das Prinzip, das meiner Idee der Publikationskultur einer digitalen Wissenschaft vorschwebt. Quasi „aufgebohrte“ Online-Journals, die (eventuell nur vorher registrierten Nutzern/Fachkollegen) eine Kommentarmöglichkeit einräumen und auf elegante Art (Trackbacks!) die Diskursverläufe transparent machen. Schön, daß ausgerechnet Du das wieder mit praktischen Erfahrungen untermauerst bzw. illustrierst.

    Antworten
  16. @Marc:

    Hallo,

    das was Du fragst ist das Kernproblem der aktuellen Entwicklung. Ursache und Wirkung. Immer mehr Ursachen aus der wissenschaftlichen Arbeit entfalten ihre Wirkung in der sie umgebenden Gesellschaft. Das war zwar vom Grundsatz her schon immer so, aber die Art und das Tempo spielen spätestens dann eine immer größere Rolle, wenn hierdurch gesellschaftliche „Befindlichkeiten“ inhaltlich berührt werden.

    Schwierig wird es vor allem dann, wenn das gegebene Umfeld immer weniger Einblicke in die Art der Entstehung von Inhalten hat, aber sich gleichzeitig immer schneller an dessen Erbnisse anpassen muss. Es entsteht eine nicht wünschenswerte geistige, soziale, ökonomische wie politische Distanz, zu (fast) allen Gesellschaftsschichten. Nun und aus solcher Distanz entstand wie entsteht wenigstens immer zunächst Unsicherheit und später schlimmstenfalls Furcht und/oder Angst.

    Das Netz an sich bietet die große Chance den Personen die u.U. später einmal Entscheidungsträger in Politik wie Wirtschaft sein werden, einen profunden Einblick in die aktuellen Problemstellungen zu geben. Man könnte also das formen, dem man zukünftig gegenüberstehen wird. Überfrachtet man nun diesen Personenkreis durch zu viele Detailfrage, bzw. verweigert ihnen die rein menschliche Konversation, drängt sich wiederum u.U. ein falscher Eindruck auf.

    Es ist komplex :-)

    Die Frage die sich mir immer stellt ist vor allem eine:

    Wollen „Deutsche Wissenschaftler“ eine Abkehr von alle dem?

    bzw.

    Wollen sie die Möglichkeit zur freien gebietsübergreifenden Forschung und Kommunikation?

    Gruß

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  17. @Marc/DerOli #14/#16
    „Genau das ist ja das Prinzip, das meiner Idee der Publikationskultur einer digitalen Wissenschaft vorschwebt. Quasi “aufgebohrte” Online-Journals, die (eventuell nur vorher registrierten Nutzern/Fachkollegen) eine Kommentarmöglichkeit einräumen und auf elegante Art (Trackbacks!) die Diskursverläufe transparent machen“.

    Das kann ich nur unterstreichen. Das würde den wissenschaftlichen Diskurs beschleunigen (und verbessern). Im Extremfall würden die online aufgebohrten Journale davon profitieren: „Science“ hätte das Desaster mit dem Klonforscher Hwang vielleicht eingrenzen können (und der „stern“ hätte die Hitler-Tagebuch-Posse nicht so lange verteidigt).

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  18. Pingback: Oliver Gassner
  19. Wenn ich so die Reaktionen der Presse sehe, könnte man fast meinen, die haben Angst vor der Konkurrenz….
    Abgesehen davon, dass Anonymität ja schon seit langem verboten ist.

    Ja, natürlich sollte die Wissenschaft auch bloggen. Das muss ja nicht im Sinne von voll ausgearbeiteten Lehrbüchern und Berichten sein. Aber die Bereiche der Wissenschaft, die sich mit Menschen befassen, dürfen es nicht versäumen, auch unter Menschen zu gehen.

    Im Web 2.0 sind viel mehr Menschen viel leichter direkt zu erreichen, und das wichtigste Medium des Web 2.0 ist nunmal der Blog.

    Also weiter so – fröhliches Bloggen!

    ~ Neila ~

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  20. Ich bin selber ein bloggender Wissenschaftler und sehe meine Hauptaufgabe eigentlich darin, Wissenschaft für mehr Menschen schmackhaft zu machen. Auch möchte ich die Allgemeinheit darüber informieren, was gerade in der wissenschaftlichen Diskussion läuft, welche Projekte es gibt, wo die Zusammenhänge sind.

    Das ist natürlich ein ganz anderer Ansatz, als was in dem Post beschrieben wird. Ich nutze den Blog nicht, um wissenschaftlich zu arbeiten oder mit anderen Wissenschaftlern zu kommunizieren. Momentan sind wir einfach noch nicht so weit, das wird sicher noch einige Jahre dauern, bis man wirklich virtuell über das Internet zusammenarbeiten kann. Für mich wäre das ideal, da ich leider nur in einer sehr kleinen Arbeitsgruppe bin, die in einem nicht-wissenschaftlichen Umfeld angesiedelt ist. Dadurch fehlen mir die fruchtbaren Diskussionen, die einem neue Ideen bringen.

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