»Wir leben in einer Informationsgesellschaft!« – Dieser Feststellung würden wohl die allermeisten zustimmen. Egal ob man das Radio oder ein Fernsehgerät einschaltet oder ob man die Schlagzeilen der Tageszeitungen oder Onlineportale liest: die Flut neuer Nachrichten, Meldungen, Studien und Reportagen ist überwältigend. Man könnte also die einleitende Behauptung auch folgendermaßen variieren: »Wir leben in einer Informationsüberflußgesellschaft«.1
All die interessanten Links, Artikel und Studien, die bislang nicht ausführlich erwähnt werden konnten, sind in Zukunft im »Werkstatt-Ticker« zu finden
Was diese Bemerkungen mit der Wissenswerkstatt zu tun haben? Ganz einfach: täglich laufen hier so viele spannende Meldungen, Infos und Berichte ein, die leider aus Zeitgründen nicht in einem eigenen Artikel kommentiert und gewürdigt werden können.
Fast täglich bedauere ich, daß so viele bemerkenswerte Neuigkeiten keine Erwähnung finden können. Das soll sich in Zukunft ändern.
Werkstatt-Ticker: Persönlicher Notizzettel und Fundgrube
Unter der Kategorie »Werkstatt-Ticker« werden ab sofort all diese Artikel, Studien und Verweise zu finden sein. Auf der einen Seite soll diese neue Rubrik auch als persönlicher Notizzettel dienen, auf der anderen Seite könnte ich mir vorstellen, daß manche Fundstücke auch für andere interessant sein können. Es werden aber – das als Vorwarnung2 – nicht mehr als kurze Informationshäppchen sein. Die längeren Blogartikel findet man aber garantiert weiterhin. Die kurzen Notizen im »Werkstatt-Ticker« sind also nur eine Ergänzung, kein Ersatz für die gewohnten Texte.
So, damit aber genug der Vorrede. Es geht los: kurz, knapp, aber bemerkenswert:
» Stammleser der Wissenswerkstatt wissen möglicherweise, daß ich Jürgen Habermas sehr schätze. Eines der zentralen Werke des Sozialphilosophen ist seine Habilitationsschrift "Strukturwandel der Öffentlichkeit" von 1962. Dort skizziert er u.a. wie die ehemals für den bürgerlichen Staat konstitutive Sphäre der diskursiven, räsonnierenden Öffentlichkeit unter dem Einfluß der kommerzialisierten Massenmedien zunehmend fragmentiert wird.
Wie ich bei Peter Haber vom weblog.hist.net lese, hat Jürgen Habermas sich nun mit den Veränderungen durch das Internet beschäftigt. Habermas scheint gerade für die Spielarten des Web 2.0 Sympathien zu haben – er stellt fest, daß
"mit der Internetkommunikation die Schwächen des anonymen und asymmetrischen Charakters der Massenkommunikation [ausgeglichen werden], indem es den Wiedereinzug interaktiver und deliberativer Elemente in einen unreglementierten Austausch zwischen Partnern zulässt, die virtuell, aber auf gleicher Augenhöhe miteinander kommunizieren."
Und wenn ich in den kurzen Zitaten weiterlese, die "historisch versunkene Gestalt eines egalitären Publikums von schreibenden und lesenden Konversationsteilnehmern und Briefpartnern" werde wiederbelebt, kann ich ihm nur zustimmen.
Link:
- Haber, Peter: Habermas 2.0 – Strukturwandel der Öffentlichkeit reloaded, weblog.hist.net, 22.3.2008
- Habermas, Jürgen (2008): Ach, Europa. Kleine politische Schriften 11, Suhrkamp, Frankfurt a.M.
- Wobei man diese These wiederum modifizieren und feststellen könnte: »Wir leben in einer Überflußgesellschaft«, was ebenso zutreffend wäre und übrigens auch schon vor Jahren von der Popband Tocotronic besungen wurde – "Alles muß im Überfluß vorhanden sein. Dann sind wir nie allein." heißt es im Lied "Hi Freaks". [↩]
- Und ich hoffe, die Freunde der ausführlich-epischen Werkstattartikel halten mir dennoch die Treue. Wer der Kurzform nichts abgewinnen kann, kann ja weiterklicken… [↩]
6 Gedanken zu „Lob der symmetrischen Web2.0-Kommunikation » Anmerkungen von Jürgen Habermas zu fragmentierten Netzöffentlichkeiten | Werkstatt-Ticker 01“
Halt, Einspruch! Kommunikation im Web (2.0) ist m.M.n. nicht symmetrisch, sondern asymmetrisch. Grund: (noch) nicht alle verfügen über die gleichen Mittel, Möglichkeiten, Kenntnisse etc.
Zufall oder Notwendigkeit? Ich hatte gestern den Habermas-Text gelesen und mich natürlich auch gleich bemüßigt gefühlt, darüber zu bloggen: http://blog.metaroll.de/2008/03/25/die-feed-malaise/
@gis: Da ist etwas dran, aber Habermas meint damit wohl eher die Fähigkeit, mit Blogs und ähnlichem die klassischen massenmedialen Kanäle der Veröffentlichung politischer Meinung zu umgehen. Dementsprechend hält er Blogs auch nur in autoritären Regimen für sinnvoll, in liberalen Regimen überwiegt für ihn dagegen die Gefahr der Fragmentierung von Öffentlichkeit. Zumindest klingt das in der 2006er Rede so.
@Benedikt: OK, vielleicht liegt es an meiner persönlichen Abneigung Habermas gegenüber – aber wieso ist eine fragmentierte (mediale) Öffentlichkeit problematisch? Auch in „liberalen Regimes“ wird die massenmediale Realitätskonstruktion massgeblich durch die Politik beeinflusst und lässt wenig Raum für dissidente Meinungen. Paradebeispiel USA (media bias).
Das befreundete Blog Orgtheory hat für solche Fälle ja eine ‚too much information‘ Kategorie. Auf der letzten Wisoz-Tagung war es durchaus erlaubt und erwünscht, dass man auch mal ‚Weber gegen Weber‘ oder ‚Luhmann gegen Luhmann‘ hat lesen und neue Interpretationen der Original-Schriften hat vorschlagen dürfen. Gerade Habermas ist ein Vertreter, dessen Schriften für das Netz sehr viel hergeben; da darf man doch vielleicht die Schriften hernehmen mal schauen, was sie heute hergeben, wenn man sie auf die Internet-Öffentlichkeit bezieht. Ob und wie er das jetzt persönlich auch so sieht, ist vielleicht eine andere Frage, aber ich finde es toll, dass er sich mit dem Medium auseinandersetzt und dem Diskurs mit der Netz-Generation nicht aus dem Weg geht. Geht es nur‘ nach Google-Treffern, kann Habermas neben Castells bei den profiliertesten Vertretern der Zunft gezählt werden. Recht so!