Kritik am Mythos der Computergesellschaft » Interview mit Joseph Weizenbaum | kurz&knapp 30

Joseph_Weizenbaum_01  Vor einem Monat starb mit Joseph Weizenbaum ein Pionier der Computertechnologie und zugleich einer ihrer umsichtigsten Kritiker. Weizenbaum, der 1936 mit seiner Familie in die USA emigrierte, legte in den 60er Jahren als Professor für „Computer Science“ am MIT die Grundsteine für die KI-Forschung.

Sein Name wird bis heute mit ELIZA verbunden; einem Programm, mit dem Weizenbaum demonstrierte, daß Computer natürliche Sprache verarbeiten können.

Seit den 70er Jahren artikulierte Weizenbaum aber immer deutlicher seine Kritik an einer fortschritts- und technikgläubigen Gesellschaft. Er führte seitdem einen engagierten Kampf gegen die Naivität seiner Zeitgenossen, die – so erschien es ihm häufig – blind den Errungenschaften und phantastischen Möglichkeiten der digitalen Technik vertrauten. Die Verantwortlichkeit von Ingenieuren und Wissenschaftlern blieb genauso ein Thema für seine publizistischen Bemühungen, wie die Warnung vor einer Unterwerfung unter die selbsterzeugten Systeme.

Thomas Zimmermann hat in seinem Blog ein Interview dokumentiert, das er bereits 1998 mit Weizenbaum geführt hat. Darin ist nachzulesen, wie dieser beeindruckende Gesellschaftsbeobachter seine eigene Zunft skeptisch beurteilt, aber auch die Bildungspolitik kritisiert:

„Besonders schlimm finde ich, daß das heute knappe Geld ausgerechnet für Computer ausgegeben wird. Stattdessen sollten dafür mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden. Auch neue Schulbänke und ein frischer Anstrich bekäme manchen Schulen besser als ein teuer eingerichtetes Computerkabinett.“

Und immer wieder wird deutlich, wodurch sich Weizenbaum gegenüber den meisten seiner Forscherkollegen auszeichnete: nämlich sein Bewußtsein dafür, daß alle Technologien bestimmte intendierte Folgen haben, aber gleichzeitig von ungewollten Nebenfolgen begleitet werden:

„Eine andere Facette […] sind die Nebenwirkungen großer Entwicklungen. Die Nebenwirkungen der Technologien werden viel bedeutsamer als die eigentlich beabsichtigten Wirkungen.“


Das Gespräch in Thomas‘ Blog sei ebenso empfohlen wie die anderen Artikel:



5 Gedanken zu „Kritik am Mythos der Computergesellschaft » Interview mit Joseph Weizenbaum | kurz&knapp 30“

  1. @Michael und Flusskiesel:

    Danke für die beiden Links. Unter dem ersten (das für die Leser, findet man die Möglichkeit Joseph Weizenbaum in bewegten Bildern zu erleben), der zweite Link führt zu einem Text von Max Goldt aus dem Jahr 2000.

    Diesen Essay von Goldt kannte ich (natürlich?) schon. Aber nett, das mal wieder zu lesen. Passagen wie diese sind einfach goldtwert:

    In Wahrheit ist das Internet ein zwar großes, aber schlichtes Reich. Ein bißchen wie Rußland. […] Die Schwierigkeit, ins Internet einzusteigen, liegt irgendwo zwischen dem Binden eines Windsorknotens und dem Erlernen von Standardtänzen.

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