Seit heute sitzen sie wieder zusammen: Politiker, Vertreter von Umweltverbänden und die bösen Buben der Industrie. Zwei Wochen lang geht es bei der UN-Naturschutzkonferenz in Bonn um Fragen der Biodiversität. Um den Artenschutz also, den Erhalt sensibler Ökosysteme und die nachhaltige und faire Nutzung der biologischen Ressourcen.
Und wie bei vielen Veranstaltungen dieser Art lässt sich schon heute voraussagen: am Ende werden schöne Absichtserklärungen präsentiert, doch Papier ist geduldig – denn ungeachtet der allerbesten Absichten werden die angestrebten Ziele (wie die Vergangenheit lehrt) meilenweit verfehlt.
In dieser kurzen Notiz möchte ich ganz kurz auf den heutigen Start der UN-Naturschutzkonferenz eingehen, deren Hintergrunde erläutern und dann abschließend auf eine sehr schöne Website verweisen, die sich der Information über bedrohte Arten widmet.
9. Vertragsstaatenkonferenz zum Abkommen über die biologische Vielfalt
Zur Sache: vom 19.-30. Mai steht Bonn mal wieder im Mittelpunkt der Weltpolitik. Rund 5000 Telnehmer werden zwei Wochen lang darüber beraten, wie die fortschreitende Naturzerstörung und der damit einhergehende Verlust der Artenvielfalt gebremst werden kann. Anlaß ist die „9. Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt“,1 wie das Treffen offiziell heißt.
1992 in Rio de Janeiro verständigte sich die Weltgemeinschaft darauf, die Biodiversität als eigenständiges Schutzziel zu formulieren
Seitdem sich die internationale Staatengemeinschaft 1992 beim Umweltgipfel in Rio de Janeiro zum Schutz der Biodiversität verpflichtet hat, tritt alle zwei Jahre diese Vertragsstaatenkonferenz zusammen. Die „Convention on Biological Diversity“ (CBD) ist als Teilabkommen eine von drei Säulen des Protokolls von Rio. Insgesamt 190 Staaten sind mittlerweile beigetreten, so daß diese im Prinzip völkerrechtlich zur Umsetzung der Beschlüsse verpflichtet wären.
Die Einsicht von 1992, daß sich die Vielfalt von Ökosystemen, die Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten und die genetische Vielfalt gegenseitig bedingen und Lebensgrundlage auch für die menschliche Zivilisation sind, hat dazu geführt, daß das Schlagwort „Biodiversität“ seitdem hoch im Kurs steht. Im Rahmen des CBD-Abkommens werden diese drei Hauptziele verfolgt:
- die Erhaltung biologischer Vielfalt,
- eine nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und
- die gerechte Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung biologischer Ressourcen.
Mogelpackung: die USA haben die CBD-Konvention nicht ratifiziert, reden aber dennoch mit.
Das liest sich wunderschön, Tatsache ist aber, daß die Zielformulierungen meist soviel Interpretationsspielraum lassen, daß die Vertragsstaaten sich letztlich doch nicht zur Einhaltung gezwungen sehen. Daneben muß angemerkt werden, daß bspw. die USA der CBD-Konvention zwar unterzeichnet, aber nicht endgültig „ratifiziert“ hat. Völkerrechtlich sind die USA also den Beschlüssen nicht unterworfen.
Die hohen Ziele, die niedrigen Chancen der Umsetzung
Hauptschwerpunkt der aktuellen Konferenz in Bonn liegt im übrigen auf der Umsetzung der sog. 2010-Ziele. Bei der 6. CBD-Konferenz in Johannesburg im Jahr 2002 hatte man sich darauf geeinigt, den „verlust an biologischer Vielfalt signifikant (!) zu reduzieren“. Und die EU-Staaten haben sich sogar dazu verpflichtet, den Prozeß des Artenverlustes ganz zu stoppen.2
An den Erfolg dieser ambitionierten Pläne glaubt heute wohl keiner mehr. Dennoch darf man gespannt sein, wie die Teilnehmer in Bonn diskutieren und auf welche Ziele sie sich letztlich einigen können. Wenn ein paar handfeste Regeln und Umsetzungsmechanismen vereinbart werden könnten, wäre das noch viel mehr Wert.
- Roth, Wolfgang: Die Vernichtung der Arten, Süddeutsche Zeitung, 19.5.2008
- Website der „Convention on Biological Diversity“
- Deutscher Naturschutzring: Biodiversitäts-Network
Update, 19.5. – 15:30Uhr:
- Miersch, Michael: Warum das Sumatranashorn schützen?, ZEIT / Wissen, 03/2008
Eine Website bzw. Portal, das sich genau der Darstellung des unglaublichen Artenreichtums verschrieben hat, ist EDGE. Das Kürzel steht dabei für „Evolutionarily Distinct and Globally Endangered“ und die Autoren widmen sich – nach eigener Beschreibung – den verrücktesten und zugleich wundervollsten Lebewesen, die leider vom Aussterben bedroht sind.
Dem Projekt, das von der traditionsreichen „Zoological Society of London“ getragen wird, geht es einerseits darum solche Tierarten zu identifizieren, die in ihrer Einzigartigkeit möglicherweise besonders erhaltenswert sind und andererseits ein Bewußtsein für diese Vielfalt, Buntheit und Extravaganz des Lebens zu schaffen.
Dazu gibt es u.a. eine traurige Top-100-Liste der gefährdeten Säuger und Amphibien und viel, viel Anschauungsmaterial.3 Auf Platz 35 der Amphibien-Liste befindet sich etwa der Luschan’s Salamander, der in Griechenland und der Türkei beheimatet ist, aber akut bedroht ist.4
Außerdem gibt es jede Menge weiterer Infos, Videos und – wenn ich recht sehe – auch die Möglichkeit, sich etwa das Verbreitungsgebiet verschiedener Tierarten per Google Earth anzusehen.
Die Seite ist auf alle Fälle einen Besuch wert:
Weitere spannende Website für Biologie-Freaks:
- Enzyklopädie des Lebens » Mit der “Encyclopedia of Life” startet ein faszinierendes Online-Lexikon, Wissenswerkstatt, 27.2.2008
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- Ganz offiziell nennt sich das natürlich: Convention on Biological Diversity (CBD) [↩]
- Vor wenigen Tagen veröffentlichte der WWF den „Living Planet Index“. Dort sieht man momentan ein leichte Abschwächung des Trends, insgesamt ist der Verlust der Artenvielfalt – um fast 1/3 in den letzten 35 Jahren – jedoch erschreckend. [↩]
- Nach Erhebungen der Weltnaturschutzunion sind derzeit rund 16.300 Tierarten als bedroht einzustufen. Mehr Infos in diesem Artikel der Süddt. Zeitung. [↩]
- Er zählt zur Gattung der Schwanzlurche und wird auch als Lykischer oder Kleinasiatischer Salamander bezeichnet. [↩]
1 Gedanke zu „Die Unverbindlichkeit von UN-Umweltkonferenzen » Das informative Webportal „Edge“ zum Artenschutz | Werkstattnotiz LXXXVIII“