» Zufall oder Schöpfung?
Man mag in Europa gelangweilt bis amüsiert mit den Schultern zucken, wenn wieder neue Zahlen die Popularität neokreationistischer Lehren in den USA belegen. Denn ist es nicht dasselbe Bildungssystem, das die besten Hochschulen und Forschungsinstitute1 beherbergt und ganz selbstverständlich die meisten Nobelpreise einheimst? Sollte es uns wirklich interessieren, daß sich – wie man nun erfährt – 16% aller HighSchool-Biologielehrer den Standpunkt vertreten, der Mensch sei vor 10.000 Jahren von Gott erschaffen worden? Offenbar bringt diese Nation doch dennoch genügend hochkarätige Wissenschaftler hervor, oder?
Die jüngsten Ergebnisse einer Befragung, die unter der Leitung des Politikwissenschaftlers Michael B. Berkam von der Pennsylvania State University stattgefunden hat, sind zumindest aus der europäischen Perspektive befremdlich. Denn von den befragten Biologielehrern gaben 12% an, daß sie im Unterricht die Theorie des „Intelligent Design“2 als gleichberechtigte Alternative neben der Evolutionslehre unterichteten.
Damit handeln diese Lehrer zwar den höchstrichterlichen Bestimmungen zuwider, denn diese hatten die kreationistischen Lehren von den Lehrplänen verbannt, befinden sich aber im Einklang mit der „Volksmeinung“: 2006 gaben 58% der US-Amerikaner an, daß sie im Unterricht die Behandlung des „Intelligent Design“ wünschen bzw. gar bevorzugen würden.3
- Berkman MB, Pacheco JS, Plutzer E (2008) Evolution and Creationism in America’s Classrooms: A National Portrait. PLoS Biol 6(5): e124 doi:10.1371/journal.pbio.0060124
- Bublitz, Nina: Kreationismus im Klassenzimmer, stern.de, 20.5.2008
» Twittersophie & Twitterweisheiten
Nun ist es ja ehrlicherweise schon so, daß man einen nicht unerheblichen argumentativen Aufwand betreiben muß, um Freunden und Bekannten den Sinn und Zweck von Blogs nahezubringen. Texte und Notizen im Internet zu publizieren, ist seltsamerweise eine überaus erklärungsbedürftige Angelegenheit.4
Um wieviel schwerer fällt die Erklärung, daß vernunftbegabte Menschen einfach so 140-Zeichen-Kurznachrichten in die virtuelle Welt hinausschicken, ohne daß diese direkt adressiert wären? All die Fragen: warum man twittert, an wen die Tweets gerichtet sind, was das ganze soll und ob dies alles nicht ganz und gar überflüssig ist, werde ich in Zukunft folgendermaßen beantworten:
Twitter ist ein Mikro-Philosophie-Kommunikations-Dienst. Tweets sind Philosophie-Extrakte. Und die heimliche Twittersophie-Königin ist die Sprachspielerin. Und das sage ich, selbst wenn man mir eine gewisse Parteilichkeit nachsagen möge. Aber solche und ähnliche Miniaturen sind wirklich bemerkenswert:
- Sprachspielerin: Twitterweisheiten, 23.05.2008
» Konjunktur eines Themas: Wissenschaft 2.0
Ich habe hier in der Wissenswerkstatt ja schon mehrfach detaillierte Notizen dazu versammelt, wie eine „Wissenschaft 2.0“ aussehen könnte. Neben den kollaborativen Elementen innerhalb der Wissensproduktion (Schlagworte: SocialNetworks und Wikis), habe ich dabei den Akzent auf die verschiedenen Aspekte der „Wissenschaftskommunikation 2.0“ gelegt. Bei Gelegenheit werde ich mich mit verfeinerten Gedanken dazu wieder zu Wort melden.
Wie ich in letzter Zeit mehrfach erfreut festgestellt habe, werden meine Ausführungen an verschiedenen Stellen aufgegriffen, werden zitiert, paraphrasiert, weiterentwickelt oder in Präsentationen eingebaut. So zum Beispiel von Mandy Schiefner von der Universität Zürich. Sie war aus der Schweiz an die Uni Hamburg gereist, um bei der dortigen Ringvorlesung unter dem Etikett „Die digitale Zukunft der Universität“ ihre Gedanken zu „scientific communities“ und akademischen Netzwerken vorzustellen.
Und dabei hat sie (wie ich dem kurzen Rückblick auf die Veranstaltung entnehme) einige Male auf Gedanken/Konzepte rekurriert, die ich in der Werkstatt vorgestellt hatte. Sehr schön! Und wenn jemand von Euch, liebe Kollegen aus dem Bereich e-Learning und Bildungsforschung, in Zukunft ein Projekt in dieser Richtung plant oder evtl. ein Paper zu schreiben ist: ich bin ggf. gerne bereit, mich einzubringen! :-)
- Schiefner, M.: Beitrag zur Ringvorlesung, in: education & media, 22.5.2008
- Mayrberger, Kerstin: Community-Building 2.0, in: ZHW-Weblog, 21.5.2008
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- Und das nicht zuletzt in den „life sciences“! [↩]
- Wonach eben bestritten wird, daß die Erde viele Milliarden Jahre alt ist und überhaupt das Leben nicht als Ergebnis von Mutation und Selektion angesehen werden könne. Stattdessen behaupten die Vertreter des „Intelligent Design (ID)“, daß ein vernünftiger, übergeordneter Schöpfer bzw. Designer die komplexen Lebensformen gestaltet habe. [↩]
- Falls ich Zeit finde, werde ich in den nächsten Tagen nochmals etwas ausführlicher auf diese Studie eingehen. [↩]
- Im Gegensatz dazu scheint es – zumindest in meinem Bekanntenkreis – die normalste Sache der Welt zu sein, daß man sich monatelang unter menschenfeindlichen Bedingungen in Basislangern auf 5000m Höhe herumtreibt, um dann zum lebensgefährlichen Gipfelsturm auf 8000er zu starten… Hmmm….? [↩]
2 Gedanken zu „Erschreckend populär: Intelligent Design in den USA ::: Erfreulich populär: Twitterweisheiten und das Konzept der »Wissenschaft 2.0« | Werkstatt-Ticker 28“
Zu der Bemerkung über das Land mit den besten Hochschulen und Forschungsinstituten: die US-amerikanische Forschung ist vor allem deshalb so erfolgreich, weil (mindestens in naturwissenschaftlichn Fächern) die Mehrzahl der Doktoranden von außerhalb (China, Taiwan, Rußland, Europa,…) geholt wird.
Alle US-amerikanischen Austauschstudenten, mit denen ich bisher an deutschen Unis zu tun gehabt habe, waren mit unseren Vorlesungen und Seminaren völlig überfordert und von zu Hause offensichtlich ein niedrigeres Niveau gewöhnt.
@Thilo:
Ja, da sprichst Du natürlich einen richtigen Punkt an. Der Zulauf an ehrgeizigen und talentierten Nachwuchswissenschaftlern ist selbstverständlich ein wichtiger Faktor, der hier mitspielt.
Allerdings ändert das wenig daran, daß diese Forschungsinstitute eben doch in der USA stehen. Daß sie durch die Zuwanderung der internationalen akademischen Elite profitieren steht ja außer Frage.