Klimawette » Duell der Klimaforscher | kurz&knapp 35

Erde Quelle: stock.xchng, User: barunpatroEs ist unstrittig: Wissenschaft basiert auf dem Prinzip des Falsifikationismus. Solange eine wissenschaftliche Behauptung nicht widerlegt ist, hat sie als wahr zu gelten. Doch was ist wenn sich wissenschaftliche Aussagen gar nicht unmittelbar überprüfen lassen?

Was ist, wenn mit wissenschaftlichem Anspruch solche Behauptungen aufgestellt werden, deren Richtigkeit sich erst in der Zukunft herausstellen wird? Wer überprüft wirklich, ob die Voraussagen der Forscher eintrafen? Und: wer nimmt Kenntnis vom Resultat der Überprüfung?1

Nach einer aktuellen Studie von Klimaforschern des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) und des Hamburger Max-Planck Instituts für Meteorologie wird sich der Erwärmungstrend des Weltklimas vorläufig abschwächen. Wie die Wissenschaftler um Noel Keenlyside und Mojib Latif letzte Woche in Nature ausführten, haben die Berechnungen auf der Basis eines neuen Klimamodells2 ergeben, daß die anthropogene Klimaerwärmung in den nächsten Jahren durch andere Effekte überlagert und abgemildert wird.

Wer hat recht? Gibt es eine Abschwächung der Klimaerwärmung oder nicht?

Nun hat gestern Stefan Rahmstorf3 den Handschuh aufgenommen und den Kollegen eine spannende Wette angeboten. Rahmstorf, ebenso streitbarer wie renommierter Klimatologe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Mitautor des IPCC-Kilmaberichts, hat offenbar Zweifel an der Prognose und hält dagegen. Wie er in seiner „KlimaLounge“ schreibt:

„Eine andere Frage erhielt bislang jedoch wenig Aufmerksamkeit: Wird die Vorhersage auch eintreffen?

Wir bezweifeln das – und wir sind bereit, eine Wette anzubieten und dabei einen nicht unerheblichen Geldbetrag aufs Spiel zu setzen.“

Das ist – wie ich finde – ein wirklicher Knaller. Natürlich ist das vielleicht typisch Rahmstorf, aber wieso hier nicht in den sportlich-wissenschaftlichen Wettstreit eintreten? Die Forschergruppen sind sich ja im Hinblick auf viele Grundannahmen einig,4 was die Temperaturentwicklung in den nächsten Jahren angeht, allerdings nicht.

Und wie man sieht, nimmt Rahmstorf Karl Raimund Popper erfreulich ernst. Dieser schrieb in seiner „Logik der Forschung“:

„Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können.“5

Genau! Und folglich fordert Rahmstorf die Kollegen auf, für ihre Behauptung auch einzustehen:

„Die Wette, die wir vorschlagen, ist ganz einfach und bezieht sich direkt auf die Voraussage, die Keenlyside et al. in ihrem Nature-Artikel über die globale Temperatur treffen. Sollte die Durchschnittstemperatur in den Jahren 2000 bis 2010 (ihre erste Voraussage) tatsächlich niedriger oder gleich der Durchschnittstemperatur in den Jahren von 1994 bis 2004 (*) sein, zahlen wir ihnen 2500 Euro. Ist sie höher, zahlen sie uns 2500 Euro. Wer diesen Teil der Wette gewinnt, wird sich Ende 2010 erweisen.

Das gleiche soll auch für ihre zweite Voraussage gelten. Erweist sich die Durchschnittstemperatur im Zeitraum zwischen 2005 und 2015 (*) als geringer oder gleich der Temperatur in den Jahren von 1994 bis 2004 (*), zahlen wir ihnen 2500 Euro. Sollte die Durchschnittstemperatur höher sein, zahlen sie diesen Betrag an uns.“

Spannend wird nun zunächst sein, ob das Team um Keenlyside und Latif auf dieses Spiel eingeht. Stefan Rahmstorf riskiert freilich auch, daß seine freche Attacke ignoriert wird. Wobei er m.E. mit seiner Anmerkung durchaus richtig liegt:6

„Nehmen sie es nicht an, wirft das die Frage auf, inwieweit sie ihrer eigenen Vorhersage trauen.“

Diese Wette sollte, auch wenn sie spielerisch daherkommt, keineswegs als bloße Spielerei verstanden werden. Denn im Kern steckt ja ein handfeste wissenschaftliche Meinungsverschiedenheit dahinter. Ein Wettstreit der Klimamodelle, ein Wettstreit bzgl. der triftigen Grundannahmen und deren Auswirkungen.

Und, dies als abschließende Randnotiz: hochinteressant ist es nebenbei auch, daß Rahmstorf seinen Blog nutzt, um diese Wette vorzuschlagen. Da sage mir noch einer, wissenschaftliche Blogs seien irrelevant! Schaut her: da schreiten hochdekorierte, international etablierte Klimatologen zum offenen Schlagabtausch7 – und das alles vor den Augen der wissenschaftlichen Blogöffentlichkeit. Toll!



  1. Klar ist, daß innerhalb der „scientific community“ die Behauptungen (wenn sie hinreichend relevant sind) durchaus überprüft werden, aber bekommt davon dann wirklich die Öffentlichkeit was mit? []
  2. In ihre neue Analyse haben die Forscher die Effekte von Meeresströmungen und den Meeresoberflächentemperaturen integriert und können – so ihre Behauptung – damit kurzfristigere Klimaschwankungen prognostizieren. []
  3. Zu Stefan Rahmstorf und dem Streitthema Klimapolitik hatte ich zuletzt hier und hier in der Werkstatt geschrieben. []
  4. Denn daß die Klimaerwärmung anthropogen verursacht und mittelfristig auch eintreten wird, darüber streiten die „Konkurrenten“ ja gar nicht. Es geht ausschließlich um den Zeitraum bis 2015. []
  5. K.R.Popper (1935): Die Logik der Forschung, S. 17. vgl. Online-Textausgabe auf der Grundlage der 2. Ausgabe von 1966. []
  6. Wobei man auch kontern könnte und feststellen, daß sich Latif und Co. für solche pubertären Späßchen zu schade sind… []
  7. Und Streitgegenstand sind die Aussagen innerhalb eines Nature-Artikels! []

10 Gedanken zu „Klimawette » Duell der Klimaforscher | kurz&knapp 35“

  1. Naja das ist ja albern. Wer seinen eigenen Vorhersagen nicht genug traut, 2500€ zu verjubeln, der kennt halt die Grenzen seiner Modelle und hat somit gute wissenschaftliche Arbeit geleistet, in dem er seine Grenzen ausgewertet hat und seine Unsicherheiten nicht verschweigt.
    Gut, es steht die Rücksicherung, dass es sich um eine ernsthafte Vorhersage handelt, aber ich darf doch stark bezweifeln, dass man „ernsthafte Vorhersage“ und „so wirds“ gleichsetzt. Das wäre wünschenswert, aber es geht doch nicht ums Recht haben bei guter Wissenschaft! Da ist Geld wetten vielleicht ein netter interner Spaß, aber wenig professionell.

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  2. Angemerkt sei noch, dass derartige Wetten auf wissenschaftliche Ergebnisse unter Naturwissenschaftlern keineswegs unüblich sind. Bemerkenswert ist hier, wie Du ja bereits sagtest, der Verbreitungsweg.

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  3. Wer disqualifiziert sich hier? Hmm?

    Ich finde die Idee witzig und hey, ja, man sollte es sportlich sehen. Meine Güte, wenn man sich die Kommentare so ansieht…

    Wetten sind Kinderkram Blablabla

    Unglaublich wie sich die Leute persönlich an jemandem abarbeiten, nur weil der es als einer der wenigen hierzulande wagt, zu dem zu stehen, was er forscht und sagt.

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  4. Ich finde die Wetten klasse. Mal sehen, was sich da tut. Unsicherheiten finde ich gar nicht so negativ. Höchst suspekt sind mir diejenigen, die so total überzeugt und sicher sind. Werde das weiter verfolgen.

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  5. Wie oben im Text bereits sichtbar wurde, halte ich die Idee zur Wette durchaus witzig. Dies im Wortsinne: also gewitzt=pfiffig. (Und nicht umsonst leitet sich Witz vom vom althochdeutschen „wizzi“=“Wissen“ ab.)

    Warum nicht die Kollegen zum Wettstreit auffordern? Wie es den Anschein hat, so lehnen Keenlyside, Mojib et. al. zwar ab, aber da spielen vermutlich auch andere (persönliche) Faktoren mit rein.

    Persönlich hätte ich es angemessener gefunden, wenn der Wetteinsatz einen thematischen Bezug gehabt hätte. Wieso sollte der Verlierer nicht die Patenschaft für 1000ha Regenwald übernehmen?

    Ansonsten sehe ich es keineswegs so, daß sich Herr Rahmstorf in den Kommentaren „disqualifiziert“ – man kann über darüber streiten, ob sein etwas frecher Stil jedem gefällt, aber wo und in welchem Sinne „disqualifiziert“ er sich damit? Die fachliche Expertise spricht doch für sich…

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  6. Auflösuung zu Klimawette, erster Teil:

    Die Durchschnittstemperatur in den Jahren 2000 bis 2010 war deutlich höher als im Zeitraum von 1994 bis 2004, die erste Prognose von Keenlyside und Latif ist also nicht eingetroffen.

    http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/klimalounge/klimadaten/2010-11-24/klimawette-die-aufloesung

    Leider gab es -im Gegensatz zur reaktion aud die Arbeit von Keenlyside et al, die von Psaeudo-Skeptiker-Kreisen groß als Ende der globalen Erwärmung gefeiert wurde – bisher praktisch keine Reaktion der Medien auf das deutliche Scheitern der Vorhersage.

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