» Frustrierende Kulturen der Wissenschaft
Kaum ein gesellschaftliches Subsystem mußte in den vergangenen Jahren soviele Reformversuche über sich ergehen lassen, wie das „System“ Wissenschaft. Seitdem auch den hiesigen Wissenschaftspolitikern bewußt geworden ist, daß sich Forschung im internationalen Wettbewerb behaupten muß oder Bildungsabschlüsse idealerweise international vergleichbar sein sollten, wird fleißig an den Strukturen des Wissenschaftssystems herumgebastelt.
Über den Erfolg der verschiedenen Versuche die Wissenschaft für die Zukunft „fit zu machen“, kann man geteilter Meinung sein. Es gibt Forscher, die einen Tobsuchtanfall bekommen, wenn sie nur die Worte „Bologna-Prozeß“ oder „Exzellenzinitiative“ hören. Tina Guenther hat im sozlog zu einem kritischen Rundumschlag ausgeholt und nennt viele, viele neuralgische Punkte der heutigen Wissenschaftslandschaft.1
Sie kritisiert die mißliche Situation der Nachwuchswissenschaftler, deren Situation von hoher Unsicherheit geprägt ist oder spricht negative Effekte der „Ökonomisierung der Wissenschaft“ an. Und im letzten Drittel skizziert sie das Potential des Web 2.0 für die Wissenschaft bzw. die Wissenschaftler. Und sie regt an, daß Qualifikationen und Leistungen, die im Online-Kontext erarbeitet werden, endlich auch in die Reputation der Wissenschaftler einfließen sollen.2
Und dort sind dann auch so bemerkenswerte Passagen zu lesen, wie diese:
„Von besonderer Bedeutung ist das ‚Social Web’, weil es dem Wissenschaftler gestattet, alle Aspekte seiner Wissensorganisation und seines Reputations-, Beziehungs- und Identitätsmanagements selbst in die Hand zu nehmen. Seit Simmel und Mead wissen Soziologen, dass individueller und kollektiver Wissensvorrat miteinander verknüpft sind. Bisher scheint ihnen jedoch niemand gesagt zu haben, das ‚Social Web’ eine materiale Realisierung dieses Zusammenhangs ist…“
Was soll ich dazu noch sagen? Das ist wunderbar auf den Punkt gebracht, vielen Dank für diesen Artikel.
- Tina Guenther: Unverdiente Wissenschaft oder Antworten auf eine gescheiterte Wissenschaftsreform, in: sozlog, 14.5.2008
» Suchen, finden und dem Klimawandel gegensteuern
Es ist noch nicht so lange her, daß das Internet als CO2-Produzent in der Kritik stand.3 Nun schickt sich eine Suchmaschine an, das etwas ramponierte Image wieder etwas aufzupolieren. Wobei: es geht nicht um PR, sondern um eine pfiffige Idee, die konkrete Auswirkungen hat – nämlich das Pflanzen von Bäumen bzw. den Ankauf von CO2-Emissionszertifikaten.
Der Slogan der australischen Suchmaschinenfirma „Ecocho“ – auf die ich hier bei Christian aufmerksam geworden bin – lautet: „Sie suchen. Wir pflanzen Bäume.“
Wenn ich das zugrundeliegende Prinzip richtig verstanden habe, so finanziert Ecocho durch Werbeeinnahmen den Ankauf von Emissionszertifikaten durch die australische CO2-Ausgleichsbehörde Greenhouse Gas Abatement Scheme (GGAS). Und diese pflanzt dann die Bäume an. Auf der etwas holprig ins Deutsche übersetzten Website liest sich das so:
„Je tausend Suchanfragen […] ermöglichen uns, Offset Credits zu kaufen, die 1 Tonne CO2 aus der Atmosphäre tilgen. Dadurch können weitere 2 Bäume während ihres Wachstums CO2 aus der Atmosphäre ziehen…“
Wer also mag, kann sich www.ecocho.eu als Suchmaschine notieren – die Ergebnisse werden von Yahoo geliefert, man muß ja nicht immer nur den Branchnprimus Google bemühen…
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- Till Westermayer hat Tinas sehr langen Beitrag auch kommentiert und die einzelnen Punkte zusammengefasst. [↩]
- Ich stimme hier mit Tina eigentlich zu 100% überein. Wenn wir auch – wie in den Kommentaren sichtbar wird – im Detail divergieren. [↩]
- Nach einer Berechnung der US-IT-Beratungsfirma Gartner vom August 2007 produziert das Internet ähnlich viel CO2 wie der weltweite Flugverkehr. Mehr Infos hier. [↩]