» Dopinggeschichten
Gestern gab es in Brest den Startschuß für die 95. Ausgabe der Tour-de-France. Das Schauspiel um die radelnden Ausdauermaschinen, die in der fränzösischen Sommerhitze die Landstaßen entlangfegen und sich dann die Bergpässe hinaufquälen, ist wie jedes Jahr ein Lehrstück in Sachen Scheinheiligkeit.
Jeder weiß, daß auch dieses Jahr im Feld zahlreiche Fahrer und Teams mit dabei sind, die massiv unter Dopingverdacht stehen. Gegen einen der Favoriten – Alejandro Valverde – ermittelt derzeit die italienische Staatsanwaltschaft. Er steht ganz oben auf einer Liste von Dopingarzt Eufemiano Fuentes, der für Valverde Blutbeutel aufbewahrte… Und doch werden Sportjournalisten und die Zuschauer diesem und anderen „Helden“ zujubeln. Seltsam.
Ich empfehle zur Immunisierung gegen Tour-de-France-Begeisterung das aktuelle Interview mit Jörg Jaksche im SZ-Magazin:
Jeder weiß doch inzwischen, was beim T-Mobile-Team ablief. Vor einer Reinwaschung Klödens sollte man deshalb die Ergebnisse aus Freiburg abwarten und schauen, wie sich Klöden als Zeuge vor der Justiz verhalten würde. Falls die Freiburger Uni-Ärzte angeklagt werden, müsste er ja dort erscheinen. Aber dem BDR geht es wohl vor allem um Geld: Wie kriegen wir Medaillen – und Fördergelder? Es geht nicht darum, ob du sauberen Sport machst, sondern ob du erfolgreich bist.
- Man vergibt mir nicht – Interview mit Jörg Jaksche, SZ-Magazin, 04.07.2008
- Pfeiffer, Frieder: Doping 2008 – Cortison, Fruchtbarkeitsmittel, Genversuche, SpiegelOnline
» Wisskomm-Wochenschau
Am vergangenen Mittwoch war ich zum Tag des Wissenschaftsjournalismus nach Dieburg eingeladen, wo ich einen Vortrag zur Wissenschaftskommunikation 2.0 gehalten habe und mich insbesondere mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob wissenschaftliche Blogs eine Alternative zum klassischen Wissenschaftsjournalismus darstellen.1
Im Anschluß daran hat mich Volker Lange von Wisskomm zu einem kleinen Interview gebeten. Ein kurzes Statement von mir ist nun in der aktuellen Ausgabe der Wisskomm-Wochenschau zu sehen. Ich bin ja der Meinung, daß man mir durchaus ansieht, daß ich die beiden Nächte zuvor nur jeweils so 31/2 – 4h geschlafen habe – aber wer sich einen übermüdeten und nicht ganz fitten Werkstattbetreiber ansehen möchte, der kann das hier tun:2
Die anderen Themen diese Woche sind:
Der Wissenschaftssommer in Leipzig und die Ergebnisse des Wettbewerbs „Wissenschaft Interaktiv“ – Tag des Wissenschaftsjournalismus in Dieburg mit Live-Blog – Blog und Videos zur Nobelpreisträgertagung bei Scienceblogs.de – Das phyletische Museum in Jena – Das wissenschaftliche Newsportal e! Science News – Viele Klima-Kampagnen sind viel zu negativ, meint die britische Organisation „Nesta“ – „PowerON und PowerOFF = Medienkompetenz?“ bei podcampus.de.
» Fragen Sie besser nicht Ihren Apotheker
Wie heißt der Satz noch gleich, der zum Abschluß jeder Medikamentenwerbung in Rekordtempo aufgesagt wird? Genau: Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker…
Daß man letzteres, nämlich das Befragen des Apothekers, auch getrost bleiben lassen kann, ergab eine kleine Erhebung von Stiftung Warentest: von 20 Berliner Apotheken schnitt nur eine einzige Apotheke wirklich gut ab, was die Beratung und Informationskompetenz angeht. Liegt es in der mangelnden Ausbildung, am Zeitdruck oder, oder, oder…?
Das Fazit der Stiftung Warentest ist ernüchternd:
„Beim Einreichen eines Rezeptes wurde die Herstellung des verschriebenen Mittels in vier Apotheken mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Bestellung der Substanzen nicht „lohne“ oder dass diese angeblich nicht erhältlich seien. Bei der Beratung zu Medikamenten wurden nur in einer Apotheke alle drei Testfälle vollständig und richtig erläutert. Keine Apotheke überzeugte beim Blutdruckmessen, und schlechten Rat bekamen auch Testerinnen, die in der Apotheke wissen wollten, was man gegen die Konzentrationsschwierigkeiten des Sohnes unternehmen könne. Auch die Beratung zu Sonnenschutzmitteln und Lichtschutzfaktor war zum Teil falsch.“
Traurig. Konsultieren Sie also bei Fragen besser das medizinische Fachblog Ihres Vertrauens. Ich hatte ja hier mal medizinische Blogs gelistet. Und ganz aktuell möchte ich das lesenswerte Blog des Medizinjournalisten Bert Ehgartner auf Scienceblogs empfehlen.
- Blog von Bert Ehgartner: Lob der Krankheit
- Wissenswerkstatt: Hippokrates 2.0 » Die Szene der Medizin- und Arztblogs, 5.2.2008
Technorati-Tags:
- Einen etwas ausführlichen Rückblick auf diese Veranstaltung gibt es demnächst hier in der Wissenswerkstatt zu lesen. [↩]
- Wobei ich es ehrlicherweise klasse finde, daß beim Standbild der Wisskomm-Schau ich im Hintergrund zu sehen bin und gerade die Folie eingeblendet ist, worauf zu lesen ist: „Nur über Wissenschaft, die kommuniziert, wird gesprochen.“ [↩]
5 Gedanken zu „Heuchler auf dem Rad ::: Interview mit Wisskomm ::: Schlechte Apothekenberatung | Werkstatt-Ticker 43“
Und schon geht es los. Der diesjährige Doping-Zirkus ist offiziell eröffnet:
„Nach einer Woche trügerischer Ruhe hat das Dauer-Thema Doping die Tour de France wieder eingeholt. Der 37-jährige spanische Profi Manuel Beltran vom italienischen Liquigas-Team ist vor der 1. Etappe von Brest nach Plumelec in der Bretagne positiv auf das Blutdopingmittel EPO getestet worden.“
http://www.focus.de/sport/mehrsport/tour-de-france-spanier-beltran-hat-gedopt_aid_317455.html
Schockierend. Wer hätte das ahnen können…?
Der FOCUS setzt sogar noch einen drauf:
„‚Die Kontroll-Behauptungen sind – wie jedes Jahr – reine Volksverdummung‘, sagte der Heidelberger Molekularbiologe der ‚Hamburger Morgenpost‘ vom Freitag. Die ‚große Mehrzahl‘ der Fahrer im Tourfeld nähme unerlaubte Mittel. ‚Nur Dumme bzw. nicht fachmännisch betreute Doper können überhaupt noch erwischt werden‘, sagte Franke.“
Wieviel GEZ-Gelder werden nochmal jedes Jahr in diesen Unsinn investiert?
@Christian:
Ja, man weiß nicht, ob man die schauspielerische Leistung mancher Sportmoderatoren bewundern soll, die die ersten Tage tatsächlich sich selbst und den Zuschauern weismachen wollten, als strampelten dort tatsächlich „cleane“ Athleten.
Ich bin jedenfalls gespannt, wieviele Fahrer dieses Jahr noch erwischt werden bzw. zu dumm sind, um die Einnahme verbotener Substanzen „zu maskieren“ oder auf Mittel zurückzugreifen, die nicht nachweisbar sind.
Bis dahin ist Thilos Beitrag eine unbedingte Leseempfehlung: Rechenaufgabe zur „Tour de France“
Und schon ist es wieder soweit:
„Neuer Dopingfall bei der Tour der France: Der Spanier Moises Duenas Nevado vom Team Barloworld ist positiv auf Epo getestet worden. Zur Stunde durchsucht die französische Polizei das Mannschaftshotel.“
http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,566155,00.html
@Christian:
Ja, die Intervalle bzgl. der Dopingmeldungen werden kürzer. Und Spanien liegt in der internen Epo-Nationenwertung in Front. Mal schauen, ob sich Italien oder Deutschland gegen Ende der Tour auch noch in die Sünder-Hitliste einträgt. ;-)
Seltsames Spektakel das alles. Aber gutes Aufwärmprogramm für Peking in 3 Wochen.
Na ja, immerhin bin ich mit meiner Sorge um die Verwendung der GEZ-Gelder nun auch nicht mehr alleine:
„Der Heidelberger Dopingfahnder Werner Franke hat ARD und ZDF angesichts des zweiten Epo-Dopingfalls bei der Tour de France aufgefordert, ihre Übertragungen aus Frankreich einzustellen. „ARD und ZDF benutzen auch meine Gebühren, um kriminelle Dinge zu übertragen“, sagte der Professor der „Süddeutschen Zeitung“.“
http://www.n-tv.de/SpritzTour_bei_ARD_und_ZDF_Franke_fordert_Ausstieg/160720083018/995042.html
Warum hört auf solche Leute bloss niemand? Will es keiner wahrhaben oder interessiert es einfach nur niemanden mehr? Die Menschenrechtslage in China scheint ja so kurz vor den Spielen auch nicht mehr auf der Agenda unserer Medienmacher zu stehen…