Stürmische Zeiten: Die „Medienlese“ erleidet Schiffbruch und wird (fast) gerettet

Es sind stürmische Zeiten. Im letzten Herbst, als die Nachrichten von den weltweiten Finanzmärkten immer düsterer wurden und sich das globale Ausmaß der Wirtschaftskrise allmählich am Horizont abzeichnete, damals konnte ich mir kaum vorstellen, wie sich diese Krise auf unser Leben, oder ehrlicher: mein Leben auswirken würde. Inzwischen1 weiß ich es.

Wir leben in Zeiten einer handfesten Medienkrise, die den Strukturwandel der Medienlandschaft, der längst im Gange war, zusätzlich beschleunigt. Die Verlage, die inzwischen schmerzlich begriffen hatten, daß ihr einstiges auf Zeitungen und Zeitschriften fokussiertes Geschäftsmodell nicht mehr zukunftsfähig ist, versuchen krampfhaft irgendwo festen Halt zu finden und erinnern in ihrem aktionistisch-orientierungslosen Krisenmanagement doch stark an den verschnarchten Familienhund, dem man seinen Freßnapf weggenommen hat.

Die Medienkrise ist eine Medienkrise

Die Medienkrise ist inklusiv und gerecht: auch im Onlinebereich sucht man mit Angstschweiß auf der Stirn nach einer Antwort auf die Frage, wie journalistischer Aufwand finanziert werden kann.

Doch – so ehrlich sollte man sein – die Krise betrifft nicht nur das klassische (Print-)Segment. Als Medienkrise ist sie inklusiv und gerecht: auch im Onlinebereich sucht man mit Angstschweiß auf der Stirn nach einer Antwort auf die Frage, wie journalistischer Aufwand (der sich möglicherweise als „Qualität“ bemerkbar macht) finanziert werden kann.2

Die Tatsache, daß die Krise keine Unterschiede zwischen vermeintlichen Auslaufmodellen und Avantgarde-Projekten macht, wurde vergangenen Freitag deutlich: Peter Hogenkamp, oberster Blogwerker, mußte eingestehen, daß die „Medienlese“ nur noch bis Ende April fortgeführt werden kann. Seit knapp 3 Jahren wurden auf „Medienlese“ in hochkompetenter Weise genau die Entwicklungen und Umbrüche der Medienlandschaft kommentiert und analysiert, die ich oben skizziert habe. Und doch mußte man am Freitag lesen:

Wir haben immer gewusst, dass medienlese.com zu einem guten Teil ein Prestigeobjekt ist, und dass man mit einem Medienblog, das kein Branchendienst sein konnte und wollte, nicht viel Geld verdienen konnte. Wir haben es uns trotzdem gern geleistet. Leider geht das nun nicht mehr. Die wirtschaftliche Lage zwingt uns zu Einschnitten…

Ist das ein ironisch-tragischer Seitenhieb der Web2.0-Mediengeschichte, daß ausgerechnet eines der Blogprojekte die Segel streichen muß, das unzweifelhaft höchste Qualität geboten hat? Denn angefangen von den spitzzüngigen Essays von Klaus Jarchow (zuletzt etwa hier) bis zu den Analysen von Peter Sennheiser (ganz aktuell seine „5 Thesen zum Umbruch“), das war schlicht und einfach ein gutes und v.a. gut informiertes Medienmagazin.

Leider – und da hilft kein Jammern und Wehklagen – läßt sich das ganz offenbar derzeit kaum finanzieren. Oder, wie man vielleicht anmerken muß: so etwas läßt sich nur finanzieren, wenn man so frech und offensiv ist, wie es ein Peter Turi3 oder Georg Altrogge4 sind.

Bloggersolidarität: „6vor9“ darf nicht sterben…

Und doch gibt es doch auch eine gute Nachricht in diesem Zusammenhang. Das Ende der Medienlese hat sehr schnell zu vielen (enttäuschten) Reaktionen geführt. Und ebenso schnell wurde klar, daß eine Rubrik besonders viele Fans hat: die tägliche Linksammlung „6vor9„, die von Ronnie Grob betreut wird.5 Sachar Kriwoj von „Massenpublikum“ hat die Initative ergriffen, sich von Peter Hogenkamp die Zusage eingeholt, daß 6vor9 weitergeführt wird, wenn wenigstens 2.000,- Euro an Spenden zusammenkommen.

Natürlich habe ich mich auch als Sponsor beteiligt. Natürlich weil ich die Rubrik gut finde, natürlich auch, weil ich Peter Hogenkamp und andere Blogwerk-Akteure kenne und auch weil ich Ronnie Grob als netten Kerl kennengelernt habe. Und daß in nur 3 Tagen die fragliche Summe von 2.000,- zusammengekommen ist, freut mich natürlich. Bis Oktober wird es also auch weiterhin die 6vor9 geben. Peter Hogenkamp schreibt:

Nachdem die 2000 Euro in weniger als drei Tagen (inklusive Wochenende) zusammengekommen sind, legen wir den Rest drauf und sorgen dafür, das Ronnie Grob seine sechs morgendlichen Lese-Empfehlungen mindestens bis Oktober weiter publizieren kann.

Fein. Und die Medienlese hat nun sogar ein neues, aktualisiertes Logo: :-)

medienlese

Die Bloggersolidarität – so wurde deutlich – gibt es doch. Jedenfalls wenn es um den Fortbestand einer guten Sache geht…


  1. Wie sollte es anders sein, als jemand, der „mit Medien“ sein Geld verdient? []
  2. Grundsätzlich ist zu beobachten, daß es hier zwei Beantwortungs- bzw. Lösungsstrategien gibt: 1.) Oberste Richtschnur ist die Qualität der Inhalte, die als Schlüssel angesehen wird, um künftig ein hinreichend großes und für die werbetreibende Industrie interessantes Publikum an sich binden zu können (Bsp. „Die ZEIT“), 2.) Leitprinzip ist die Maximierung der Reichweite bei Minimierung der Kosten, um mit „schlanken“ Geschäftsmodellen ein maximal großes (aber beliebiges?) Publikum zu erreichen. []
  3. Der mit turi2 weiterhin sehr erfolgreich agiert. []
  4. Der binnen weniger Monate „Meedia“ als ernstzunehmendes Projekt etabliert hat. []
  5. Und 6vor9 hat mich übrigens vor einigen Monaten zu meiner eigenen Linksammlung für den Wissenschaftsjournalismus unter dem Titel 3vor10 inspiriert. []

1 Gedanke zu „Stürmische Zeiten: Die „Medienlese“ erleidet Schiffbruch und wird (fast) gerettet“

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