Tierisch intelligent: Krähen sind erfindungsreiche Werkzeugnutzer

rabe_200Raben und Krähen sind hochintelligent. Das ist keine neue Erkenntnis: schon in der Mythologie symbolisierten die Vögel Weisheit. Nun haben britische Forscher erneut festgestellt, wie talentiert Krähen sind. Um an Futter zu kommen, stellten die Saatkrähen geeignete Werkzeuge her. Ein Verhalten, wie man es bislang nicht einmal von Primaten kennt.

Gibt es Tiere, die – nach menschlichem Verständnis – intelligent sind? Welche kognitiven Fähigkeiten haben Tiere? Was unterscheidet sie vom Menschen, welche Lernfortschritte können Tiere machen und können sie vorausschauend und planend agieren?

Die Antworten auf diese Fragen wurden lange Zeit fast ausschließlich in Studien mit Menschenaffen gesucht. Erst in jüngerer Zeit rücken auch andere Tierarten immer öfter in den Blick. Und Rabenvögel (Corvidae) stellen sich dabei immer deutlicher als herausragende Vertreter heraus.

Rabenvögel zeigen komplexe kognitive Leistungen. Sind sie also „intelligent“?

Forscher der Universitäten Cambridge und London haben in verschiedenen Studien mit Saatkrähen eine erstaunliche Eigenschaft der Vögel gefunden: die Krähen biegen sich aus Draht ein Werkzeug zurecht, um an ihr Futter zu gelangen. Dabei formten sie auf Anhieb – ohne mehrere Versuche und auch ohne „Lernbeispiele“ – ein passendes Drahtstück.

Diese Versuche führte der Doktorand Chris Bird1 an der Uni Cambridge durch. Professor Nathan Emery, der die spannenden Ergebnisse zusammen mit Chris Bird in der nächsten Ausgabe der „Proceedings of the National Academy of Sciences“ publiziert, stellt fest:

„Wir glauben, dass dies der erste eindeutige Beleg von Einsicht bei Tieren ist, denn die Saatkrähen machten die Haken schon im ersten Durchgang.“

Da die Krähen zuvor keine Übung in der Nutzung von Drahtstücken hatten, scheint diese Schlußfolgerung tatsächlich legitim. Als „einsichtig“ wäre eben solches Verhalten zu bezeichnen, das aus der Analyse der Problemsituation gezielt adäquate Handlungsstrategien ableitet. Offenbar sind die Saatkrähen dazu in der Lage.

Chris Bird führte zwei verschiedene Experimente durch: einmal mußten die Krähen – um an ihr Futter (eine Mottenlarve) zu kommen – mit einem Stein eine kleine Plattform zerstören, die unterhalb eines Zylinders angebracht war. Die Vögel wählten zielsicher genau diese Steine, die in den Zylinder paßten.2

Im zweiten Experiment hatten die Forscher in einem stehenden Zylinder ein kleines Eimerchen mit einer Mottenlarve platziert, das Futter war aber für die Krähen mit dem Schnabel nicht zu erreichen. Allerdings lagen Drahtstücke bereit – drei der vier Krähen formten auf Anhieb eine passende „Angel“.

Raben: Die heimlichen Stars der Tierwelt

Die Versuche illustrieren, daß Rabenvögel komplexe kognitive Leistungen vollbringen können. Wirklich überraschend ist das freilich nicht. Raben sind seit jeher für ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten bekannt. In der nordischen Mythologie sitzen die beiden Kolkraben Hugin und Munin auf den Schultern von Odin. Der Name „hugin“ leitet sich vom altnordischen Verb huga (=denken) ab, und Munin kommt von muna (=sich erinnern).

Insofern verwundert es eher, daß die Verhaltensforscher nicht schon vor 30 oder 40 Jahren sich mehr auf die Raben konzentriert haben. Schließlich kann sogar der aufmerksame Spaziergänger beobachten, daß Krähen beispielsweise Stöckchen benutzen, um nach tiefsitzenden Würmern zu stochern – auch dieser Werkzeugeinsatz ist nicht selbstverständlich.

Autos als Nußknacker

Die Forschungsgruppe von Nathan Emery hat in den letzten jahren schon mehrere Belege dafür geliefert, daß Raben die Genies unter den Vögeln sind. Eine der Lieblingsanekdoten von Emery ist die oft kolportierte Geschichte, daß japanische Krähen häufig Nüsse auf die Straße werfen, damit die Autos darüber fahren und sie knacken. Typisch: die Krähen werfen die Nüsse gezielt an Zebrastreifen auf die Fahrbahn. Wenn die Ampel rot wird, dann können sie die Bruchstücke gefahrlos einsammeln.

Japanische Krähen nutzen Autos als Nußknacker…

Aber Raben scheinen nicht nur begnadete Problemlöser zu sein, auch andere kognitive Fähigkeiten haben sie möglicherweise den meisten Tieren voraus: Frankfurter und Bochumer Forscher berichteten letztes Jahr – wie in diesem Werkstatt-Artikel berichtet – , daß sich Elstern im Spiegel erkennen und somit eine Art „Selbst-Bewußtsein“ haben. Und Elstern, klar, gehören ebenfalls zur Gattung der Rabenvögel.

Doch weshalb haben Raben so außergewöhnliche Eigenschaften? Eine der Erklärungen, die immer wieder zu lesen ist, lautet einfach: Flexibilität. Raben sind in ganz vielen Fragen nicht sehr stark festgelegt, weder was Lebensraum, noch was Ernährung und Sozialverhalten angeht. Das heißt, daß sich Rabenvögel immer schon kontinuierlich an neue Situationen anpassen mußten, um Futter – sie sind ja auch Aasfresser – mit anderen Tieren konkurrierten etc. Und auch ihr Sozialverhalten ist – wie ich gestern kurz bei 3vor10 geschrieben habe3 – wohl viel weniger festgelegt, als bei anderen Tierarten.

Man darf also gespannt auf weitere Studien sein. Und bis dahin würde ich zu gerne mal ein Video sehen, auf dem ein Kolkrabe spricht. Denn angeblich können Raben ziemlich gut menschliche Sätze nachplappern, woran schon Konrad Lorenz großen Spaß hatte.

  1. Ein anderer Karriereweg als Verhaltensforscher bei Vögeln blieb ihm wohl kaum übrig? ;-) []
  2. Zu diesen beiden Experimenten gibt es hier Videos zu sehen. []
  3. Norwegische Forscher haben beobachtet, daß junge Raben regelrechte „Gangs“ bilden, um an Futter zu kommen. Mehr bei „3vor10“ []

8 Gedanken zu „Tierisch intelligent: Krähen sind erfindungsreiche Werkzeugnutzer“

  1. *Doch weshalb haben Raben so außergewöhnliche Eigenschaften?*

    Diese Frage deutet auf noch viel grundlegendere Fragen hin als nur nach dem Evolutionären Hintergrund. In letzter Konsequenz geht es um das Gehirn an sich und seine Organisation. Zum Beispiel: Wie groß muss ein Gehirn für eine bestimmte Leistung mindestens sein? Quasi das Minimalgehirn. Soweit mir bekannt ist, gibt es dazu kaum Forschungen, allein schon weil man noch sehr weit davon entfernt ist, mehr als nur ein rudimentäres Gehirn nachzubauen.

    Das zeigt natürlich auch, wie wenig wir wirklich über die Welt wissen.

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    • Ja, sieht schwer nach Dohle aus. Wobei Dohlen halt eben Rabenvögel sind. Aaskrähen sind Rabenvögel, Kolkraben sind Rabenvögel, Dohlen sind Rabenvögel und Elstern übrigens auch.

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