Studiendilemma: Akupunktur gegen Heuschnupfen

Über Stiche, Schmerz, unmögliches Nichtwissen und Kontrollgruppen

Es ist wieder Heuschnupfenzeit. Ich persönlich komme mithilfe von Antihistaminika meist ganz gut über die Pollensaison. Aber wenn es um weitere Alternativen im Kampf gegen den lästigen Heuschnupfen geht, werde ich dennoch hellhörig. Immer wieder wird die Akupunktur empfohlen. Nur ein paar Sitzungen und schon seien – so heißt es – geplagte Heuschnupfenopfer häufig symptomfrei. Kann das sein? Ist das Wunschdenken, geschicktes Marketing der Akupunktur-Lobby oder funktioniert das wirklich? Die Antwort lautet: ja, irgendwie alles zusammen. ;-)

Klar ist: Antihistaminika1 sind allererste Wahl, wenn es um allergische Reaktionen geht. Und die neueren Substanzen der 2. Generation machen ja auch (oder nur in Ausnahmefällen) nicht mehr müde. Interessant sind die Alternativen aber doch. Denn in den „heißen“ Phasen reicht mir z.B. die normale Tagesdosis meines Heuschnupfenpräparats nicht aus und ich verdopple oder verdreifache das Zeug und dennoch schniefe ich. Könnte ich das mit ein paar Akupunktursitzungen vermeiden?

Taugt Akupunktur was, wenn ich meinen Heuschnupfen (oder auch andere Allergien) effektiv behandeln will? Wenn man aktuelle Studien zum Einsatz von Akupunktur bei allergischem Schnupfen ansieht, so sieht es ganz danach aus. Koreanische Forscher um Sun-mi Choi haben in ihrer Studie 238 Versuchspersonen untersucht und dabei einen Teil der Probanden mit „echter“ Akupunktur, einen anderen Teil mit einer Schein-Akupunktur und das letzte Drittel zunächst gar nicht behandelt. Die Schnupfen-Patienten, die mit Nadeln gestochen wurden, profitierten und zeigten weniger allergische Symptome. Im Fachjournal „Allergy“ schreiben die Autoren:

„The symptoms of allergic rhinitis decreased significantly after treatment in the both acupuncture and sham acupuncture groups. Acupuncture appears to be an effective and safe treatment for allergic rhinitis.“

Das liest sich schonmal ganz gut. Und die Teilgruppe, die an den „richtigen“ Akupunkturpunkten gestochen wurde, zeigte den Effekt noch deutlicher als die Gruppe, die nur eine sog. Sham-Akupunktur bekam, also eine Akupunktur, die bewußt die traditionellen Regeln mißachtet.

Was hilft?: Das Piksen? Nur an den richtigen Stellen?

Das klingt also recht vielversprechend. Und es deckt sich prinzipiell mit den Ergebnissen einer anderen Studie, die unter der Leitung von Benno Brinkhaus von der Berliner Charité durchgeführt wurde. Die deutschen Forscher hatten sogar 422 Heuschnupfenpatienten ausgewählt. Rund die Hälfte der Patienten bekam acht Wochen lang eine Akupunkturbehandlung (jeweils 12 Sitzungen). Die andere Hälfte wurde nochmals unterteilt: 102 wurden ebenfalls gepikst (allerdings im Sinne einer gefakten „Sham-Akupunktur“) und 108 nahmen nur wie gewohnt die Antihistaminika. (Die beiden Akupunkturgruppen nahmen übrigens parallel ebenfalls ihre Medikamente ein!)

Das Ergebnis auch dort: die Akupunktur-Patienten berichteten eine Verbesserung ihrer Heuschnupfen-Symptome und sie nahmen auch weniger Medikamente ein. Bei den nach den Regeln der Kunst behandelten Patienten zeigte sich der Effekt etwas stärker. In der Zusammenfassung der Studie heißt es:

„Acupuncture led to statistically significant improvements in disease-specific quality of life and antihistamine use measures after 8 weeks of treatment compared with sham acupuncture and with RM alone, but the improvements may not be clinically significant.“

Wirklich groß ist der Unterschied also dann doch nicht ausgefallen („not clinically significant“), aber immerhin.

Jetzt stellt sich nochmals die Eingangsfrage: taugt Akupunktur etwas, wenn ich meinen Heuschnupfen (oder auch andere Allergien) effektiv behandeln will? Die Antwort: es schadet zumindest nicht, ist aber natürlich aufwendig und recht teuer. Und es ist prinzipiell ziemlich egal, ob der Akupunktur-Therapeut irgendwelche ominösen Punkte behandelt oder ahnungslos daneben sticht. Wieviel der Symptomverbesserung auf das Konto des Placebo-Effekts geht, wissen wir nicht. Mit ziemlicher Sicherheit jede Menge.

Dilemma: Therapeuten können ihr Wissen nicht ausblenden

Und es gibt noch ein weiteres Problem bei diesen Studien, auf das Edzard Ernst in seinem Blog aufmerksam macht: die Studie mag noch so gut gemacht sein, sie kann doch nicht ausschließen, daß unbezifferbare „Störeffekte“ bei der Behandlung der verschiedenen Akupunkturs-Gruppen auftreten. Es ist ja – darüber brauchen wir nicht groß diskutieren – klar, daß bei allen (!) Probanden, die mit Nadeln gepikst wurden der Placebo-Effekt positiv greift. Ganze zwölf Mal ließen die eine 20-30 minütige Behandlung (inkl. all dem dazugehörenden Therapiesetting) über sich ergehen. Wäre schlimm, wenn das nichts verändern würde! ;-)

Die Therapeuten wissen natürlich, ob sie die Nadeln „richtig“ setzen oder eine Schein-Akupunktur machen. Und somit kann man über den Unterschied der beiden „Behandlungen“ nur mutmaßen… Allerdings ist es halt auch unvermeidbar, daß die behandelnden Therapeuten jeweils genau wissen, ob sie die Nadeln jetzt „richtig“ setzen oder ob sie dem Patienten „nur“ eine Schein-Akupunktur verabreichen. Wir können getrost davon ausgehen, daß allein dieses Wissen des Therapeuten einiges verändert: seine eigene Erwartungshaltung bzgl. der Wirksamkeit, seine Körpersprache gegenüber dem Patienten usw. usf.

Die Akupunkteure waren übrigens dazu verpflichtet, daß sie natürlich bei der „richtigen“ Gruppe Wert auf das sog. De-Qi legen, d.h. der wohlig-dumpfe Akupunkturschmerz durch die Nadeln sollte eintreten. Bei der Kontrollgruppe mit der Sham-Akupunktur an den „falschen“ Stellen, sollte ausdrücklich kein (!) solcher Schmerz auftreten. Alles also nur gespielt bzw. gepikst. Und insofern ist es dann auch nicht verwunderlich, wenn sich die beiden Gruppen leicht (!) unterscheiden.

Fazit: Obwohl ziemlich gut gemacht, liefern die Studien dennoch wieder keinen Beleg für die Effektivität von regelgerechter Akupunktur. Sie zeigen lediglich, daß die Behandlung (mitsamt Nadelstichen irgendwohin!) hilft. Nicht mehr, nicht weniger.

Ich bleib dann wohl bei meiner Antihistaminika-Selbstmedikation. ;-)

Links und Studien:

 

  1. Ich selbst komme seit Jahren z.B. mit Cetirizin ziemlich gut zurecht. []

10 Gedanken zu „Studiendilemma: Akupunktur gegen Heuschnupfen“

  1. Wieso sollte Akupunktur gegen Heuschnupfen helfen? Ich denke Akupunktur ist nicht ohne Grund nicht wissenschaftlich anerkannt. Es ist nicht die akupunktur an sich die hilft, sondern das was da hinter ist.

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  2. Ich habe mich selber kaum mit der chinesischen medizin auseinandergesetzt(vielleicht sollte ich das nach lesen dieser ergebnisse tun).

    Allerdings sollte man hier anmerken das selbst experten der traditionellen chinesischen medizin8TCM) sagen:

    60% der behandlung ist die ernährung, 30% die kräutertheraphie, und NUR 10% die akupunktur. Sprich die TCM selbst sagt das akupunktur mehr oder weniger wirkungslos ist. Bzw. die wirkung hält sich sehr stark in grenzen. Der rest muss über hauptsächlich ernärhung, und nebensächlich kräutertheraphie erfolgen.

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  3. Als leidgeplagter Allergiker habe ich bereits diverse Methoden aus der Alternativmedizin ausprobiert.
    Man darf sich hier nicht vor neuen oder auch alten aber meist unbekannten Möglichkeiten verschließen.
    Die Akupunktur hat mir nicht das erhoffte Ergebnis gebracht aber zum Beispiel der Heilpraktiker mit seiner Farbtherapie.
    In Kombination mit der Schulmedizin kann hier wirklich Besserung eintreten

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  4. Dass Akupunktur bei Heuschnupfen Linderung verschafft, wäre mir auch neu! In meiner Tätigkeit als Hebamme setzte ich Akupunktur in vielen Bereichen ein. Sei es gegen Schwangerschaftsbeschwerden (Übelkeit, Rückenschmerzen, Ischialgie, etc.) oder zur Geburtsvorbereitung. Aber gegen Heuschnupfen habe ich noch keine Schwangere piksen müssen. Da helfen Globuli besser und damit habe ich ebenfalls großen Erfolg. Leider sind ja in der Schwangerschaft viele Mittelchen gegen Heuschnupfen absolutes Tabu. :-(

    An die Kritiker der Akupunktur hier im Beitrag: Wenn Sie wüssten, wie die Akupunktur bei Beschwerden in der Schwangerschaft oder auch in der Eröffnungsphase der Geburt hilft und gerade bei Erstgebärenden eine unglaubliche Unterstützung ist, würden Sie nicht so etwas schreiben. Akupunktur hat auch nichts mit „dran glauben“ oder dergleichen zutun. Sie ist ein wahrer Segen in der Schwangerschaft bzw. in der Phase der Geburt.

    Ich habe zum Teil Schwangere, die vor Schmerzen auf allen Vieren in meine Praxis kommen und kerzengerade wieder nach Hause können, weil ich sie akupunktiert habe.

    Soviel dazu! :-)

    LG,

    Gerlinde

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  5. Bei mir hilft im Normalfall nur Medikamente, wäre aber alternativen Behandlungsmethoden nicht abgeneigt. Habe aus dem Bekanntenkreis schon Erfahrungen zum Thema Homöopathie (positive) gehört. Interessant für mich wäre noch der Preis einer Akupunktur.

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  6. Natürlich gibt es in Zusammenhang mit Akupunktur eine gewisse Chance auf eine „self-fulfilling prophecy“, wenn die Probanden diverser Studien daran glauben, dass die Behandlung helfen wird.

    Dennoch denke ich, dass wir inzwischen tatsächlich so weit sind, auch alternative Behandlungsmethoden anzuerkennen. Ich weiß zum Beispiel, dass Krankenkassen inzwischen durchaus Hypnose-Therapie und auch Akupunktur kostenweise in bestimmten Fällen übernehmen. Ich kann mich zwar nicht zurückerinnern, aber ich glaube, in den 90ern hätten die Kassen über solche Dinge noch gelacht.

    Ich bin bei einigen Dingen auch selbst immer wieder erstaunt, beispielsweise bei Vitaminen. Da gibt man sein Leben lang Geld für Medikamente aus, die doch nicht gegen Erkältung helfen, und dann gibt einem ein Arzt den Tipp, man solle es mal mit viel Vitamin C versuchen (im Bereich von mehreren Gramm pro Tag), und plötzlich hat man keine Erkältungen mehr!

    Wir Menschen können noch viel lernen. Manchmal sogar von traditioneller Medizin oder aus den Lehren des Tierreichs.

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  7. Sorry wenn ich widersprechen muss – Akupunktur richtig angewandt kann genial helfen!

    Wie viele andere geht es bei mir im Mai mit Heuschnupfen los( Gräser). Durch den Tipp eines Freundes war ich die letzten Jahre in München bei einem Heilpraktiker zur Akupunktur-Behandlung. Man benötigt dort nur EINE Sitzung! Das Prinzip funktioniert nur, wenn bereits Heuschnupfensymptome sichtbar sind (tränende Augen, Niesen, etc.). In der Sitzung hat der Therapeut EINE Nadel im Nacken gesetzt und dann musste ich eine Elektrode in die rechte Hand nehmen. Offensichtlich wurde ein kurzer Reizstrom auf die Nadel gelegt (ca. 2 Sek), der von der Hand mit der Elektrode bis zum Hals zu spüren war. Das wars. Unmittelbar danach ging eine Art angenehmer „Schauer“ durch den ganzen Körper, der ein paar Stunden anhielt und ab dem nächsten Morgen waren sämtliche Sysmptome des Heuschnupfens verschwunden. Dieser Zustand hielt den kompletten Sommer an. Im Folgejahr musste dieser Vorgang wieder ca. im Mai für die neue „Saison“ wiederholt werden. Die Kosten waren ca. 50€ für diese einmalige Sitzung/Jahr. Ich habe dieses Verfahren 4 Jahre hintereinander genutzt und es hat jedes Jahr super funktioniert. Leider scheint bei diesem Therapeuten privat etwas dazwischen gekommen zu sein, weshalb er seit 2013 nicht mehr zur Verfügung steht. Seitdem suche ich hartnäckig nach einem anderen Therapeuten, der diese Technik beherrscht. Sollte jemand einen Kontakt diesbezüglich haben, wäre ich SEHR interessiert.
    Vielen Dank!

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